Tanz des Lebens
paar schöne Ausflüge zusammen unternehmen. Das verspreche ich euch. Wie geht es übrigens Luke? Ich habe ihn heute Morgen noch gar nicht gesehen?«
»Was? Äähm … er ist noch in seinem Zimmer«, antwortete sie schnell. »Du musst dir keine Sorge machen, Dad. Luke geht es bald wieder besser.« Verzweifelt schluckte sie den Kloß in ihrem Hals hinunter und wünschte sich mehr als alles in der Welt, dass ihre Lüge heute Nacht zur Wahrheit werden würde.
»Ach, ehe ich es vergesse: Soll ich Mrs Duval noch Bescheid sagen, dass sie während meiner Abwesenheit in unser Gästezimmer zieht?«
»Nein, Dad«, wehrte Faye energisch ab, »ich bin alt genug um alleine auf Luke aufzupassen und eine warme Mahlzeit am Tag kriege ich auch problemlos hin.« Müde erhob sie sich aus dem Sessel, lehnte sich an den Türrahmen des Arbeitszimmers und beobachtete ihren Vater bei seinen letzten Reisevorbereitungen.
»Gut. Wo ist denn schon wieder …« Mit hektischen Bewegungen fegte er die Papiere auf seinem überfüllten Schreibtisch hin und her und schob suchend seine Hand unter die unzähligen Aktenordner. Faye seufzte amüsiert und eilte ihm zu Hilfe. Manchmal erinnerte er sie wirklich an einem zerstreuten Professor. Liebevoll hielt sie seine Hand fest und griff mit der anderen in sein für sein Alter immer noch volles sandblondes Haar nach der Brille.
»Danke, Faye, was würde ich nur ohne dich machen?« Erleichtert setzte er die Lesebrille auf seine Nase und packte den letzten Ordner in seine Aktentasche. Faye sah ihn lange nachdenklich an. Sie hatte dabei schon halb die Tür geöffnet, als sie sich noch einmal umdrehte. »Dad, die anderen Archäologen … also deine Kollegen«, druckste sie herum, »glauben sie eigentlich, was Mom in ihrem Buch geschrieben hat … über die Nat-Geister und dass sie wirklich existieren?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Mike unsicher und sah Faye bei diesen Worten nicht an. »Aber bei der Tagung morgen geht es nicht nur um die Ausgrabungen von Burma.« Er schwieg einen Moment und suchte erstickt nach Worten. »Wir – also ich habe vor etwas mehr als einem halben Jahr, als du noch in Sandwich bei deiner Mutter warst, die Überreste einer alten, versunkenen Stadt entdeckt.«
Überrascht setzte Zoe sich auf den Rand des Schreibtisches und starrte ihren Vater an. »Tatsächlich? Wo befindet sie sich?«
In kurzen Zügen erzählte Mike ihr von der Stilllegung des alten, geheimen Militärforts, dem Bau der neuen Universität auf dem ehemaligen Flugzeughangar und eröffnete ihr dann, was sie noch herausgefunden hatten. »Beim Bau des neuen Fundaments für die Universität fanden die Bauarbeiter Überreste von alten Grundmauern. Daraufhin hat die Stadt mich mit der weiteren Expertise beauftragt. Um es kurz zu machen«, seufzte Mike halblaut, »wir fanden eine Art versunkene unterirdische Gruft.
Es hat fast vier Monate gedauert, bis wir den geheimen Mechanismus gefunden haben, um das versiegelte Portal zu öffnen. Darunter verbarg sich eine Art Kultstätte mit den gleichen okkulten Symbolen und Kreidekreisen, wie wir sie bei den Ausgrabungen der Soon-Yi-Pagode in Burma gefunden haben.«
»Ist das die Anderswelt, die Mom in ihrem Buch beschreibt?«, flüsterte Faye leise.
»Wir nehmen es stark an. Auf jeden Fall scheint es sich um eine spirituelle Stätte zu handeln, denn an den Wänden fanden wir Aufzeichnungen der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Dazu Masken von den verschiedenen burmesischen Natgeistern. Und auf den morschen Runentafeln, die wir retten konnten, waren Abbildungen eines scheinbar mächtigen Zwillingspärchens. Für uns ergibt das allerdings immer noch keinen Sinn. Diese seltsamen Zwillingzeichnungen befanden sich auch in der Pagode der Priesterin Soon Yi, aber die Inschriften in den Felsen verraten nichts über dieses Phänomen. Wir wissen noch nicht mal, ob es sich um ein Mädchen und einen Junge oder um gleichgeschlechtliche Zwillinge handelt. Auf den Runentafeln stehen sie zusammen, sich an der Hand haltend, und dazwischen ist eine dreifache Sechs, das dämonische Zeichen, und ein Feuersiegel, das lichterloh brennt. Deine Mutter meinte damals, dass es die Bedeutung von Gut und Böse widerspiegelt und glaubte bei der Flüssigkeit, die wir in einer verborgenen Phiole gefunden hatten, ein geheimnisvolles Zwillingselixier entdeckt zu haben, mit dem man irgendetwas verwandeln kann.«
Faye hatte ihrem Vater angespannt zugehört und dabei fieberhaft überlegt.
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