Tanz des Lebens
dicht an Faye haltend, durch das dunkle Gebüsch. Der Weg schien kein Ende zu nehmen. Der letzte Abschnitt des Pfads führte sie über eine ziemlich steile Wiese, die in einen mit Moos befallenen Wald mündete.
Frustriert lotste sie Luke vorsichtig um die moosbedeckten, aus losem Geröll bestehenden Felshänge. Quins Körper war angespannt und all seine Sinne geschärft. Ein schmaler silberner Lichtstreifen durchschnitt das Laub. Ruckartig blieb er stehen und atmete tief ein. Faye, die dicht hinter ihm war, prallte fast gegen ihn und sah ihn verdutzt an.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Wir sind da!«
Statt einer sonnigen Bergspitze betraten sie eine von Wolken eingehüllte Ebene, in deren Mitte ein kleiner See lag und die von einer wilden, üppigen Vegetation bewachsen war. Der laue Abendwind, der über das Seal Rock Cliff wehte, vermischte sich mit den exotischen Gerüchen von Weihrauch, Limalawurz, Kanolanektar, süßem gerösteten Rosenöl und dem Duft der Wasserlilien, die zu hunderten auf dem erwachten See blühten.
Sanft wehten die betörenden Gerüche in ihre Nasen, während die unzähligen Fackeln die Szenerie vor ihnen in ein buntes Farbenmeer tauchte. Aus Carmel, Seaside, San Francisco und Los Angeles waren die Beschwörer, weißen Hexen und die Nat-Charmer der verschiedenen Zirkel angereist, um sich hier auf dem geheimen Moongadawmarkt zu versammeln, wie Liam den Geschwistern eifrig erklärte. Fürsorglich ging er vor und stellte sie immer wieder geheimnisvoll aussehenden Menschen vor.
Unfähig, sich all die unzähligen Namen und Gesichter zu merken, nickte Faye ihnen nur schüchtern zu. Nach einiger Zeit blieb Liam neben einer der zahlreichen Verkaufsstände in der Marktmitte stehen. Die Hände in den Hosentaschen seiner Cargohose und mit einem unsicheren Gesichtsausdruck legte Luke den Kopf schief. Faye, die wie immer seine Hand hielt, flüsterte ihm leise ins Ohr, was sie auf dem Markt sah.
Anschaulich beschrieb sie ihm die Verkaufsstände, die unter den Fächerwedeln der Palmen ihre mit bunten Lampions erhellten Waren anboten. Mit einschmeichelnden, sanften Stimmen priesen die Händler ihre magischen Utensilien an. Auf den samtbezogenen Tischen lagen wunderschöne Armbänder und runde Bi-Scheiben aus Ritualjade an Lederbändern, teilweise mit Goldfäden und Rubinenstaub verziert, jedes einzelne ein Unikat, wie die Verkäuferin ihr lächelnd zurief.
Am Stand nebenan lag der Tisch voll mit Runentafeln, Wunschamuletten und durchsichtigen, azurschimmernden Amarukristalltropfen, die über den Hauseingang gehängt einen Abwehrzauber gegen Dämonen versprachen. Dazwischen pries ein weißgekleideter Druide seine in Rosenöl getränkten Mistelzweige an, die, unter das Kopfkissen gelegt, vor bösen Träumen schützen sollten.
Eine schattenhafte Faszination ging von dem Geschehen um sie herum aus. Aber etwas zog geradezu hypnotisch Fayes Aufmerksamkeit auf sich. Gebannt blickte sie zu dem etwas abseits unter einem riesigen Mammutbaum gelegenen Stand. An den schweren Ästen hingen an langen, seidenen Bändern dutzende irisierende Feenlichter. Eingebettet in silberglänzende, lochgestanzte Kugeln tanzten die Feenlichterpunkte in der Dunkelheit der Nacht, erzählten vom Zauber uralter Mächte und wiesen den Menschen den Weg in das Licht der Geborgenheit.
Dazu erklang das zarte Glöckchenspiel der Gaukler, das verirrte und ruhelose Seelen zur Ruhe bringen sollte. Mitten in der Menschenmenge entdeckte Faye unvermittelt ihre mütterliche Freundin Shiva Moon – zusammen mit Jhonfran. Überrascht starrte sie die beiden an. Als hätte Shiva ihren Blick in ihrem Rücken gespürt, drehte sie sich um. Mit einem seltsamen Lächeln kam sie auf sie zu.
»Du wirst also für deinen Bruder tanzen«, stellte sie, ohne zu fragen, fest. »Es ist gut, dass du den Weg hierher gefunden hast.«
Sie begrüßte Faye mit einer innigen Umarmung und strich Luke zuversichtlich über den Arm. Erfreut wechselte sie ein paar Worte mit Liam, während sie Quin mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck zunickte, was dieser mit ironisch, hochgezogenen Augenbrauen quittierte. Anschließend stellte Shiva ihnen ein junges Mädchen als ihre Nichte vor, die im Sommersemester bei ihr und Mike Conners ein Praktikum an der Universität absolvierte.
Ihr Name war Melissa. Die kurzen, schwarzen Haare der Fünfzehnjährigen glänzten im lodernden Fackelschein mit ihren dunklen Augen um die Wette. Sie war etwas kleiner als ihre Tante; ganz
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