Tanz des Lebens
wie bei den Menschen; je besser du dich mit ihnen stellst, desto mehr Vertrauen gewinnst du. Es gibt Tänzer, die Jahre brauchen, um einem bestimmten Dämon anzurufen. Außerdem darfst du nie vergessen, dass die Dämonen niemals freiwillig zu dir kommen. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Ice Whisperer dem Beschwörer feindlich gesonnen. Sie hassen es, Befehle auszuführen und nehmen eine Zusammenarbeit mit uns nur in Kauf, weil sie dadurch für eine kurze Zeit ihrer eigenen kalten Welt entkommen können. Darum muss man dem Dämon direkt nach der Beschwörung in einem mentalen Duell seinen Willen aufzwingen. Es gibt die Faustregel, dass dies umso schwieriger ist, je schwieriger die Beschwörung war. Die beschworenen Ice Whisperer können sich nur eine sehr kurze, begrenzte Zeit in der irdischen Welt aufhalten, bevor ihre Instabilität ihren Tribut fordert, und sie gezwungen sind, in ihre eigene, erkaltete Parallelwelt zurückzukehren. Aber bis dahin werden sie dir mit allen Mitteln eine trügerische Illusion nach der anderen vorgaukeln, und hoffen, dass du darauf hereinfällst und zusammenbrichst. Dann werden sie in deinen Körper eindringen und dich zu einer Besessenen machen. Also, lass dich auf nichts ein. Du darfst dich von ihren Illusionen nicht blenden lassen. Du wirst dem Dämon nur nach Informationen zu Lukes Siegel fragen und wie man es wieder löschen kann. Alles andere ist nur eine Lüge, hörst du, Faye?«
»Ja, ich höre. Ich werde alles tun, was in meiner Macht liegt, um Lukes Leben zu retten.«
Faye atmete tief durch. Danach trat sie hinter dem Paravent hervor und stellte sich vor Shiva, die ihr aufmunternd zunickte und behutsam ihre Haare zur Seite schob und den Reißverschluss an ihrem Rücken schloss. Der Vorhang am Höhleneingang hob sich und Jhonfran trat schüchtern ein. Mit ihm wehte ein leichter Wind vom Meer herein. »Wie geht es dir?« Seine Augen betrachteten sie sorgenvoll.
»Danke, geht so«, stammelte sie.
Mit einem warmen Lächeln umarmte er sie und Faye ließ sich für einen winzig kleinen Moment in seine Umarmung fallen. Mit einem Mal fiel alles Sarkastische und Lustige, mit dem Luke und sie sich die letzten Tage zu schützen versucht hatten, von ihr ab und sie begann zu zittern.
»Faye«, flüsterte er in ihr Haar, »du musst das hier nicht tun. Das Pandämonium ist eine Welt, die böse und unberechenbar ist. Es ist eine Welt voll von schwarzem Hass. Niemand kann sie kontrollieren. Wenn du nicht aufpasst, dann werden die Ice Whisperer in dich eindringen und du wirst unweigerlich ein Teil dieser bösartigen Anderswelt werden. Du kannst dabei sterben.«
Mit dem kleinen Finger strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, an dem ein silberner Ring mit einer ornamentalen Lemniskate schimmerte – das Zeichen für die Unendlichkeit der Unverletzbarkeit. Faye hatte diesen Ring vorher noch nie an ihm bemerkt. Sie schluckte ein paar Mal. »Weiß Holly, was und wer du bist?«, flüsterte sie lautlos.
»Nein. Noch nicht.« Er atmete schwer. Die von den Wandfackeln erzeugten Flammen flackerten über sein dunkles Gesicht, in denen das Weiß seiner Augäpfel aufleuchtete. Alle aus der Clique wussten, dass er adoptiert war. Faye hatte aufgrund seines spanischen Namens und seiner dunkleren Hautfarbe immer gedacht, dass er ursprünglich aus dem nahen mexikanischen Grenzgebiet abstammte. Jetzt erkannte sie anhand seines Rings die Wahrheit.
Jhonfran war ein Jäger. Ein Nat-Geist, der die Dämonen jagte, um sie zu vernichten. Beschwörend schüttelte er sie leicht. »Aber ich bin immer noch der gleiche Jonny, dein Freund. Faye, hör zu, du musst das nicht machen. Ich werde für deinen Bruder mittanzen.« Auf ihr energisches Kopfschütteln packte er sie erneut am Arm und schüttelte sie.
»Bitte! Als dein Freund bitte ich dich, nicht zu tanzen – nicht mit Quinton Noyee!« Als er ihr erschrockenes Gesicht sah, redete er hastig weiter. »Hör zu, ich sage das nicht zum Spaß. Du weißt doch, dass Zoe in der Aura eines Menschen lesen kann. Mit ihm stimmt –«
»Jhonfran! Solltest du nicht bei den Vorbereitungen der Zeremonie draußen sein?« Jonny hielt den Atem an und erstarrte inmitten seiner Bewegungen. Sprachlos begegnete sie seinem Blick. Dann schob er sie zur Seite und stürmte durch den Vorhang davon. Faye starrte ihm hinterher.
»Es wäre alles einfacher, wenn wir es nicht so kompliziert machten. Bist du soweit, Lunababe? Es wird bald losgehen.«
Die tanzenden Flammen
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