Tanz des Lebens
Eukalyptusöls mischte sich mit dem warmen Fahrtwind.
Trotz der provisorischen Papierdrainage lief ständig neues, tiefrotes Blut aus seiner Nase. Mit einem besorgten Ausdruck wechselte Faye die Taschentuchtampons und wischte ihm danach sanft das Blut aus dem Gesicht. Liam hatte sich die ganze Zeit still verhalten und nur ab und zu Luke zugeflüstert, was gerade passierte. Jetzt stand er auf und beugte sich zu Faye herunter, um ihr mit einem schiefen Lächeln die blutgetränkten Tücher abzunehmen.
»Danke, es ist nett, dass du dich um meinen Bruder kümmerst.« Dabei sah er Quin nicht an und irgendwie schienen seine Worte nicht für seinen Bruder bestimmt zu sein, dachte Faye verunsichert. Als er ihren nachdenklichen Blick bemerkte, beugte er sich hastig vor und strich Quin kurz über die Wange. Dieser seufzte gequält auf und stieß dann seine Hand weg.
»Meine Güte, selbst am Boden benimmst du dich noch wie ein Idiot«, ächzte Liam und erhob sich. Faye versuchte zu schlichten und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. »Ist das immer so, wenn er mit dem Zug fährt?«, fragte sie halblaut. »Wir sind erst drei Stunden unterwegs und es sind noch sechs Stunden bis Los Angeles. Sein Körper ist so furchtbar kalt, wahrscheinlich weil er schon so viel Blut verloren hat. Ich mach mir langsam Sorgen.«
»Wir sind zweimal mit dem Zug gefahren, zusammen mit unserem Vater, als dieser noch gesund war.« Umständlich stopfte Liam das blutige Knäuel in eine leere Plastiktüte und schmiss sie in dem Abfallkorb hinter der Sitzbank. »Es war beide Male dieselbe Strecke und damals ging es ihm genauso schlecht. Ich habe ihn von Anfang an gewarnt, aber er wollte ja unbedingt mitkommen.« Mit einem Scheppern klappte er den Metalldeckel zu, machte auf dem Absatz kehrt und setzte sich wortlos auf seinen Platz. Das war zwar keine Antwort, die Faye beruhigte, aber es gab nichts, was sie sonst noch tun könnte.
Mühsam versuchte sie ihre verkrampften Beinmuskeln zu entspannen und lehnte ihren Oberkörper zurück gegen die Wand. Still beobachtete sie durch die gegenüberliegende Panoramascheibe die vorbeifliegende Landschaft. Der legendäre Küstenabschnitt Big Sur, welcher von Carmel-by-the-Sea, San Simeon, Santa Barbara bis nach Los Angeles führte, bot ein atemberaubendes Panorama und einen unglaublich schönen Ausblick über die Strände und den meergrünen Pazifik. Die Schienen liefen direkt neben der Hauptstraße an der felsigen Küste entlang und nur ein paar Meter daneben ging es steil die Klippen hinunter.
Das gleichmäßige Rattern der Räder auf den Schienen entspannte Faye. Als sie halb eingeschlafen war, spürte sie Quin, der sich leicht in ihren Armen drehte, bis sein Gesicht in ihrer Halsbeuge lag. Sein rasselnder Atem klang jetzt weniger unruhig. Auch seine Haut schien nicht mehr so kalt zu sein. Als sein Atem ihren Hals streifte, wagte Faye nicht, sich zu bewegen.
Ein ekelhafter, metallischer Geruch weckte ihn auf. Angeekelt schlug Quin die Augen. Er lag allein in einem großen massiven Bett, über dem sich ein asiatischer Seidenbaldachin spannte. Sein Blick schweifte durch das Schlafzimmer. Gegenüber seinem Bett entdeckte er einen imposanten aus Natursteinen gebauten Kamin, und davor stand eine kleine Couchecke, die mit unzähligen safrangelben und bordeauxroten Kissen bedeckt war.
Das waren die typischen Farben seiner burmesischen Heimat, aber Quin war sich ziemlich sicher, dieses Zimmer noch nie zuvor gesehen zu haben und konnte sich auch nicht erinnern, wie er hierhergekommen war. Mühsam setzte er sich auf. Auch das Wetter war anders als in seiner Erinnerung. Er goss in Strömen. Im Stakkato trommelte der Regen gegen die große Fensterfront, die vom Boden bis zur Decke ging.
Auf dem Fußboden neben dem Bett gewahrte er ein zusammengewürfeltes Knäuel Klamotten – eindeutig seine eigenen und ganz eindeutig auch der Ursprung des metallischen Geruchs, stellte er fest, als er sich runterbeugte und sein Blick auf die blutgetränkten Flecken fiel. Benommen lehnte er sich in die Kissen zurück und strich sich nervös sein halblanges Haar aus dem Gesicht, an dem er unverständlicherweise den Geruch von sommerwarmen Kirschen roch. Angespannt sprang er aus dem Bett und begab sich in das angrenzende Badezimmer.
Nach der Dusche fühlte er seine Lebensgeister langsam zurückkommen und entdeckte seinen Rucksack auf einem Stuhl neben dem Bett. Froh, ein paar Klamotten zum Wechseln dabei zu haben,
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