Tanz im Feuer
Chad Dillon sprechen?
»Genau. Einer unserer Nachbarn arbeitet für Flameco«, erhielt sie zur Antwort.
»Flameco?«
»Haben Sie noch nie von Flameco gehört?«, erkundigte sich die ältere Dame erstaunt, als zeuge das von unverzeihlichem Desinteresse an den Geschehnissen in Midland.
»N… nein«, stammelte Leigh. »Aber ich wohne erst seit kurzem hier«, rechtfertigte sie sich sofort.
»Weltbekannt und direkt aus unserem schönen Midland«, erwärmte sich der wortkarge Herr. »Die größte Ölfeuerwehr derWelt. Die Jungs löschen in Brand geratene Bohrlöcher, verstehen Sie?« So viel hatte er während der ganzen bisherigenTreffen nicht gesagt.
Angst schnürte Leigh die Kehle zu; sie brachte kein einzigesWort heraus.Wie vor den Kopf geschlagen nickte sie.Vielleicht redeten sie ja nicht von ihrem Chad. Chad war kein so außergewöhnlicher Name. »Ich glaube, Dillon ist dabei, seit er von der Uni runter ist«, sprudelte es aus dem bislang so verschlossenen Mann heraus. »Wie lang ist das jetzt schon her?« Er sah sich fragend um. »Wann hat er den Abschluss gemacht? Ich weiß noch, wie er über das Footballfeld geflitzt ist. Herr im Himmel!Was konnte der Bursche laufen!« Offenbar hatte er jetzt seinThema gefunden.
Leigh stand schnell auf, um seinen unerwarteten R edefluss zumVersiegen zu bringen, und fegte dabei ihreTasche vomTisch. Bevor sie sich hinkniete, um mit zittrigen Händen den verstreuten Inhalt wieder aufzusammeln, erklärte sie: »Wenn wir uns einig sind, mache ich mich jetzt gleich an die Arbeit. Ich setze mich in ein paarTagen wieder mit Ihnen inVerbindung, aber Sie können davon ausgehen, dass die Sache bis Sonntagabend über die Bühne ist.«
Sobald sie draußen an der frischen Luft war, lehnte sie sich erschöpft an die Ziegelwand desVersammlungshauses. Das also war des Rätsels Lösung. Chad war in Mexiko und versuchte, ein brennendes Ölbohrloch zu löschen. Er war ein gefragter Spezialist. Seine Arbeit war extrem gefährlich. Er wurde hervorragend dafür bezahlt. O Gott – es war, als wäre Greg wiederauferstanden.
Kraftlos stieß sie sich von derWand ab und stolperte über den Bürgersteig zu ihremWagen, der ein paar Meter weiter parkte. Als sie ihn erreicht hatte, schaute sie sich noch einmal um und lachte freudlos. Hervorragend bezahlt, wahrhaftig. Er lebte hier draußen in einer dieser Riesenvillen, mitten unter lauter Millionären. Und sie hatte ihn für einen Mechaniker gehalten, der sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug.Warum hatte er sie in ihrem Glauben gelassen? Plötzlich spürte sie, wie sich ihre Fassungslosigkeit in tiefen Groll verwandelte. Langsam, aber unaufhaltsam wurde er stärker, bis er sogar die Angst besiegte.
Ungestüm riss sie die Fahrertür ihres Kleinwagens auf und schlug sie hinter sich zu.Wütend preschte sie durch das Nobelviertel, ohne auch nur einen Blick nach links oder rechts zu werfen. Es war ihr vollkommen egal, welche dieser Luxusvillen dem Mann gehörte, der sie angelogen und ihr dasWichtigste verschwiegen hatte.
Zornestränen ließen ihr alles vor Augen verschwimmen. Sie kam sich so dumm vor! ZumTeufel mit ihm! Er hatte sie in seinen Armen gehalten, hatte sie geküsst – und war dann davongestürzt, um eine brennende Ölquelle zu löschen. Er hatte sich in ein flammendes Inferno begeben, sie einfach so verlassen, obwohl er wusste, dass er verletzt werden konnte, dass er vielleicht …
Schluchzend bremste sie vor einer Ampel. Chad hatte genau gewusst, wie sie reagieren würde, sobald sie von seiner Arbeit erfuhr. Jetzt war ihr klar, warum er so ausweichend auf ihre Fragen geantwortet hatte. Er hatte sie absichtlich im Dunkeln über sein Leben und seine Arbeit gelassen. Er hatte sich in ihr Leben, in ihr Herz geschlichen, bis sie keinen Augenblick mehr ohne ihn sein wollte. Er hatte sie umschmeichelt, eingesponnen, umgarnt, bis sie ihm nicht mehr widerstehen konnte. Er hatte versucht, sich unersetzlich zu machen, weil er genau gewusst hatte, dass sie sich auf keinen Fall mit ihm einlassen würde, falls sie erfuhr, wovon er lebte. Geschickt hatte er sie ausgeforscht, wie sie damals zu Greg gestanden hatte. Natürlich hatte er ihr danach nichts von seinem Job erzählt. Er hatte sie belogen, hatte ihr etwas vorgespielt, hatte sie ausgenutzt.
»Ich hasse diesen Lügner. Ich hasse ihn«, rief sie wutentbrannt. Sie trat heftig aufs Gaspedal, so dass derWagen mit einem Satz über die Kreuzung schoss. Schniefend fuhr sie weiter. DieWahrheit tat weh,
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