Tanz im Feuer
entlangführte. Zu beiden Seiten grasten Herden gut genährter Rinder auf den winterbraunenWeiden. Leigh wurde zusehends ehrfürchtiger. Nach der zehnten, bedächtig auf und ab nickenden Ölpumpe gab sie das Zählen auf.
Das Haus bescherte ihr die nächste Überraschung. Ehrwürdig, aber keineswegs düster stand es in einem Hain von Maulbeer- und Pekannussbäumen, direkt neben einem kleinen, fröhlich plätschernden Bach. Die Ziegelmauern waren weiß getüncht.Vier rechteckige Säulen ragten vor der breitenVeranda auf und stützten den Balkon im Obergeschoss. Dunkelgrüne Fensterläden flankierten die sechs Sprossenfenster auf derVorderseite. Hinter allen waren weiße Gardinen und Grünpflanzen auf dem Fenstersims zu sehen.
»Da wären wir«, verkündete Chad, hielt denWagen an und stellte den Motor ab. Ohne sie anzusehen, nahm er dieTasche vom R ücksitz, stieg aus, kam um denWagen herum und öffnete Leigh dieTür, um ihr und Sarah beim Aussteigen zu helfen. Leigh befreite Sarah aus ihrem Kindersitz, wickelte sie wieder in die warme Decke, um sie vor dem eisigenWind zu schützen, und nahm sie auf den Arm.
»Und ich habe ein schlechtes Gewissen gehabt, als du mir Blumen ins Krankenhaus brachtest, weil ich dachte, du könntest dir das nicht leisten«, murmelte sie aus dem Mundwinkel. Er kniff irritiert die Lippen zusammen, hatte aber keine Gelegenheit mehr, ihr zu antworten, denn in diesem Augenblick flog die breite Eingangstür auf, und Amelia Dillon kam aufgeregt herausgelaufen.Während sie auf ihre Gäste zueilte, wischte sie sich die Hände an ihrer Küchenschürze ab.
»Schnell, herein mit euch. DerWind ist ja schrecklich. Bringt das Baby ins Haus, bevor es sich noch eine Erkältung holt.Willkommen, willkommen, Leigh. Hallo, Chad.« Amelia legte schützend den Arm um Leigh und schob sie sanft, aber bestimmt ins Haus. »Am besten wärmen Sie sich gleich am Feuer auf«, riet sie ihr, nachdem sie dieTür hinter ihnen zugedrückt hatte, und zog sie aus dem langen Korridor, der quer durch das ganze Haus verlief, in ein großes, gemütlich wirkendesWohnzimmer. Ein warmes Feuer prasselte in dem riesigen Kamin, der fast die ganzeWand einnahm. Amelia Dillon ließ Leigh und Sarah einen Moment davor stehen, eilte zurWohnzimmertür und rief durch das Haus: »Daddy, sie sind da!« Dann wandte sie sich an ihren Sohn, der ihnen, mit Leighs und Sarahs Sachen bepackt, gefolgt war. »Chad, am besten stellst du die Babysachen auf dem Sessel da ab. In dem alten Ding kann man sowieso nicht mehr richtig sitzen. Leigh, geben Sie mir doch Ihren Mantel.« Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ach, wie dumm von mir. Sie können ihn ja gar nicht ausziehen, solange Sie Sarah im Arm halten. Am besten geben sie sie mir und …«
»Mutter«, fiel ihr Chad ins Wort. Er stellte die Taschen ab und legte seine großen Hände auf ihre zierlichen Schultern. »Ganz ruhig, Mama. Wir bleiben schließlich noch länger da. Wenn du dich nicht beruhigst, wirst du den Tag nicht überleben.« Er lächelte sie an und wies dann mit der flachen Hand auf Leigh. »Das ist Leigh Bransom.«
Amelia lachte nervös. »Sie müssen mich für ein grässliches Plappermaul halten, nicht wahr? Es tut mir leid. Aber ich freue mich einfach so schrecklich darauf, Sie kennenzulernen.« Sie streckte Leigh die Hand entgegen. »Noch einmal willkommen bei uns, Leigh.«
Leigh hatte von Anfang an geahnt, dass sie Amelia Dillon mögen würde. Jetzt wurde diese Ahnung zur Gewissheit. Chads Mutter war klein, ein bisschen untersetzt und wirkte ausgesprochen mütterlich. Sie trug eine rosa Bluse und einen warmen grauen R ock unter der umgebundenen Schürze. Ihr Haar war silbergrau, aber man konnte noch erkennen, dass es vor langer Zeit genauso dunkelbraun wie Chads gewesen war. Ihre Augen waren immer noch so blau wie die ihres Sohnes. »GutenTag, Mrs. Dillon.Vielen Dank für die Einladung.Wir haben uns sehr darüber gefreut.«
»Leigh, gib mir Sarah, während du deinen Mantel ausziehst«, schlug Chad vor. Er nahm das eingemummte Baby, das aufgewacht war, als Leigh es aus dem Kindersitz geholt hatte. Jetzt schaute es sich aufmerksam um.
»Oh, zeig sie mir mal, Chad«, bat Amelia. Sie drängte sich an ihn und zog die Decke ein bisschen zurück, so dass sie Sarah ins Gesicht sehen konnte. Die Kleine sah sie erst mit großen Augen an und begann dann über das ganze Gesicht zu strahlen. »Mein Gott, hat man schon mal so was Süßes gesehen? Schau dir nur das
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