Tanz im Feuer
Bauch. »Schrei dich einfach ein bisschen aus«, erklärte sie dem Kind. Sie atmete tief durch, ging aus dem Zimmer und machte dieTür hinter sich zu.
Sie kam sich wie der erbärmlichste Schuft auf Erden vor, trotzdem versuchte sie, so gut es ging, das wütende Geschrei im Kinderzimmer zu ignorieren, während sie aus ihren Kleidern stieg und eine heiße, beruhigende Dusche nahm. Als Sarah eine halbe Stunde später immer noch keine R uhe gab, rief Leigh den Kinderarzt an.
»Ich habe keine Ahnung, was sie plagt«, gestand sie ihm hilflos.
»Vielleicht sind es ja bloß die neuen Zähne, oder sie hat Bauchweh. Ich werde eine Nachtapotheke anrufen; die sollen Ihnen ein harmloses Schmerzmittel schicken.« Die tiefe Stimme klang beruhigend. »Das wird ihr bestimmt nicht schaden, und es könnte ihr beim Einschlafen helfen.Wenn bis morgen früh keine Besserung eingetreten ist, bringen Sie IhreTochter zu mir in die Praxis.«
Leigh sah auf die Uhr. Sie hoffte, dass die Medizin vor zehn Uhr geliefert würde, so dass sie in R uhe mit Chad telefonieren konnte.
Aber um halb elf wartete Leigh immer noch auf die Medizin – und auf Chads Anruf. Unermüdlich marschierte sie mit Sarah auf der Schulter imWohnzimmer auf und ab und tätschelte ihr den R ücken.Tränen rollten beiden über das Gesicht. »Wie kann er mir das nur antun?«, fragte sie ins leere Zimmer hinein. Sarah antwortete ihr, indem sie wieder zu weinen begann. »Warum muss er ausgerechnet heute seinWort brechen?«
Der Junge, der die Medizin brachte, trudelte gegen halb zwölf ein, fröhlich und vollkommen unbekümmert. KeinWort des Bedauerns, keine Entschuldigung kam über seine Lippen. Leigh hätte ihn am liebsten geohrfeigt, als er ihr zum Abschied noch »einen schönen Abend« wünschte.
Sarah wehrte sich mit aller Kraft gegen die Medizin. Sie drehte den Kopf weg, hustete und spuckte, bis Leigh nur noch raten konnte, ob etwas davon in Sarahs Magen gelangt war oder nicht. Offenbar hatte sie alles wieder ausgespuckt, denn sie weinte ununterbrochen weiter.
Schließlich versuchte Leigh, sich zusammen mit dem Baby in ihr Bett zu legen, aber Sarah strampelte immer weiter und wollte einfach nicht einschlafen. Dabei wusste Leigh, dass Sarah todmüde sein musste; inzwischen weinte sie schon seit Stunden. Genau wie Leigh.Warum hatte Chad nicht angerufen?War ihm etwas zugestoßen?
Mitternacht war längst vorbei, und Leigh wanderte schon wieder über eine Stunde mit dem greinenden Baby auf der Schulter imWohnzimmer auf und ab, als jemand an die Haustür klopfte. Hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung blieb sie stehen und wartete ein paar Sekunden, ob sich das Klopfen wiederholen würde. Dann rannte sie zurTür und riss sie auf.
»Warum ist denn überall Licht …Was ist denn los, Leigh? Leigh? «,fragte Chad ängstlich, als sie sich schluchzend an seine Brust warf.
Sarah wurde zwischen ihren Körpern eingequetscht, aber das war Leigh in diesem Augenblick egal. Sie vergrub das Gesicht an Chads fester Brust und ließ ihrenTränen freien Lauf. »Du hast nicht an… angerufen und Sarah … Sarah schreit die ganze Zeit.« Laut schniefend zog sie dieTränen hoch. »Ich habe einen Strafzettel kassiert … und dann hatte ich auch noch den Inspektionstermin verpasst. Und dann ist dieser Baum umgefallen. Am liebsten hätte ich diese kleinen Racker mitsamt ihren Müttern erwürgt …«
»Leigh, was ist denn los, um Gottes willen?« Er packte sie an den Schultern und schob sie behutsam, aber energisch ins Haus zurück. »Geh wieder hinein. Du holst dir ja denTod in dieser Kälte. Und was ist mit Sarah los?Warum schläft sie nicht?«
Er nahm Leigh, die aussah, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, das Baby ab und trug es ins Kinderzimmer. Noch im Gehen untersuchte er es von allen Seiten. Im Kinderzimmer legte er Sarah kurz auf derWickelkommode ab, zog seinen Mantel aus und warf ihn achtlos über die Gitterstäbe des Kinderbettchens. Dann nahm er die Kleine, die augenblicklich lauter zu weinen begonnen hatte, wieder hoch, setzte sich mit ihr in den Schaukelstuhl, bettete ihr Köpfchen auf seine Schulter und tätschelte ihr besänftigend den R ücken.
Leigh, die ihn noch vor einer Stunde am liebsten dafür umgebracht hätte, dass er nicht anrief, labte sich an seinem Anblick wie eineVerdurstende. Dankbar schaute sie vom Gang aus zu, wie er die leise weinende Sarah tröstete. Sie fühlte sich erlöst.
Müde lehnte sie sich gegen denTürrahmen und schilderte ihm in
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