Tanz im Mondlicht
Körper angespannt und bereit war, abzudrücken.
»Onkel Dylan«, sagte Chloe beunruhigt. Sie hatte noch nie einen so unerbittlichen Ausdruck in seinen Augen gesehen.
»Dürfen wir jetzt gehen?«, fragte der Freund. »Bitte lassen Sie uns gehen, ja?«
Onkel Dylan rührte sich weder vom Fleck noch antwortete er. Er hielt die Waffe so fest umklammert, dass sie spürte, wie gerne er abgedrückt hätte. Sie hatte mit einem Mal Angst, nicht nur wegen der beiden Jungen, der Waffe und der drohenden Gefahr, sondern weil sie wusste – aus eigener leidvoller Erfahrung –, wie weit ein gebrochenes Herz einen Menschen treiben konnte.
Es hatte Chloe auf die Plantage getrieben, mit nichts als einer Schere, um sich zur Wehr zu setzen. Und es hatte Onkel Dylan von Isabel zu Jane und in diese Situation getrieben, mit einer Waffe in der Hand und dem Wunsch, zu schießen.
»Onkel Dyl«, flüsterte sie.
»Brieftaschen raus«, befahl er. »Aber langsam.«
»Wollen Sie uns umbringen?«, fragte Zeke. Schleierwolken waren am Himmel aufgezogen, und dahinter blitzten Sternschnuppen auf.
»Habt ihr einen Ausweis in der Brieftasche?«
»Ja«, antwortete Zeke.
»Und du?«, fragte Onkel Dylan seinen Freund.
»Nein – aber meinen Führerschein.«
»Werft sie auf den Boden. Ich werde dafür sorgen, dass ihr nie wieder auf meinem Land Motorrad fahrt«, sagte Onkel Dylan eiskalt und mit Nachdruck. »Und dass ihr nie, nie wieder meiner Nichte zu nahe tretet.«
»Sie hat mir erzählt, dass Sie Marshal sind«, sagte Zeke. »Damals … ich hätte auf sie hören sollen. Tut mir leid!«
»Er erschießt uns!«, jammerte sein Freund.
»Bitte, Onkel Dylan«, bat Chloe flehentlich, weil sie befürchtete, der Freund könnte recht haben. »Isabel, Isabel …«
Seine Augen flackerten. Aber nur kurz, dann waren sie wieder ausdruckslos.
»Entschuldigt euch bei Chloe«, verlangte ihr Onkel.
»Es tut mir leid«, sagten die zwei wie aus einem Mund.
»Und jetzt lauft, lauft um euer Leben!« Onkel Dylan schoss in die Luft.
Die Jungen rannten quer durch die Wiese, doppelt so schnell wie vorher. Chloe blickte ihnen nach, dann sah sie, wie ihr Onkel die Brieftaschen aufhob. Sie lächelte ihm zu, aber er verzog keine Miene, runzelte nicht einmal die Stirn. »Die brauche ich«, erklärte er. »Ich werde dafür sorgen, dass die beiden eine Lektion erhalten, die sie nie mehr vergessen. Ich benachrichtige die Polizei, sobald wir im Haus sind. Alles in Ordnung mit dir?«
Chloe versuchte zu nicken. »Mit dir auch?«
Er versuchte zu nicken.
Chloe umarmte ihn. »Danke.«
Er schwieg, ließ sie aber nicht los. »Sie wollten dich verletzen, Chloe«, sagte er schließlich. »Weißt du, was ich getan hätte, wenn es dazu gekommen wäre? Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren …«
»Ich weiß.«
»Was ist nur in dich gefahren, so spät am Abend auf der Plantage herumzulaufen …«
»Ich hatte noch etwas zu erledigen«, erwiderte sie abwehrend. »Etwas Wichtiges, was Mut erfordert.«
»Das kann auch ins Auge gehen«, erwiderte er barsch. »Ich habe versucht, Mut zu beweisen, für Isabel und Amanda, habe mich für etwas stark gemacht, was mir wichtig war – und was hat es gebracht?«
»Du warst bei ihnen«, flüsterte Chloe. »Du hast es versucht. Du hast Isabels Hand gehalten, als sie starb. Denk nur, wie ihr zumute gewesen wäre, wenn du nicht da gewesen wärst … du warst bei ihr, Onkel Dylan.«
»Und was ist dabei herausgekommen?« Hinter den harten Linien in seinem Gesicht und dem Zorn in seinen Augen sah sie Tränen schimmern. »Wenn man solche Tragödien ohnehin nicht verhindern kann?«
Chloe schloss die Augen. Sie sah Janes Gesicht vor sich. Ihr schwarzes Haar und die blauen Augen, das breite Lächeln, ihre Art, immer genau das Richtige zu sagen. Jane, die mit den Pasteten in ihr Leben getreten war, die die Hand ihres am Boden zerstörten Onkels gehalten und ihn wieder zum Lachen gebracht hatte, die mit Chloe den Schwangerschaftstest besorgt, still neben ihr gesessen und gemeinsam mit ihr auf das Ergebnis gewartet hatte …
Mit einem Mal wusste sie, dass es Jane zeitlebens schwergefallen war, sich von ihr fernzuhalten. Jane hatte sie genug geliebt, um ihr gleich nach der Geburt einen Namen zu geben, hatte sich gezwungen, auf jeden Kontakt zu verzichten, bis zu diesem Sommer, als sie auf die Plantage gekommen war. Und sie hatte Chloes Bild in ihrem Medaillon getragen – Tag und Nacht.
Trotz der Entfernung war sie
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