Tanz im Mondlicht
Wirkung nicht verfehlen. Aber das höhnische Grinsen war wie weggewischt – es hatte bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem Lächeln.
»Nur über meine Leiche«, sagte er.
»Du kannst mich nicht daran hindern.«
»Dann werde ich dich hinfahren müssen. Ich kann dich nicht allein reisen lassen. Das heißt, falls deine Eltern einwilligen.«
»Das werden sie.«
Er lachte, schüttelte den Kopf. »Wie ich dich kenne, Miss Chadwick, wirst du wohl recht haben.«
»Wir holen Pasteten«, sagte Chloe und hakte sich bei ihrem Onkel unter, als sie sich den Weg den Hügel hinab durch die Apfelplantage hinter der Scheune bahnten. »Und überbringen Jane eine Einladung.«
»Zu was?«
»Zum Tanz auf dem Heuboden. Keine Bange – Mona und ich kümmern uns um die Planung und Vorbereitung.«
»Das habe ich schon befürchtet«, sagte er, hinkend.
Chloe blickte zum Mond empor. Er sah aus wie eine leuchtende silberne Scheibe, die Ränder verwischt durch die restliche Sommerhitze. Sie streckte den Arm aus, als wollte sie ihn vom Himmel holen. In diesem Augenblick war sie überzeugt, dass sie dazu imstande wäre. Sie würde ihn in ihrer Tasche verwahren und Jane schenken, als wäre er ein silberner Apfel.
»Ich hoffe nur, dass er bei unserem Tanz auf dem Heuboden mitspielt«, sagte sie und blickte zu dem magischen Nachthimmel empor. »Alles, was wir brauchen, ist ein Silbermond.«
Ihr Onkel lachte. Er antwortete nicht, aber er lachte. Und als sie Chloes Garten erreichten, standen ihre Eltern in der Einfahrt, warteten auf das Eintreffen des Streifenwagens. Sie hatten den Schuss gehört und die Polizei alarmiert. Als sie Chloe sahen, stieß ihre Mutter einen Schrei aus. Sie breitete die Arme aus, und Chloe lief zu ihr, ließ sich umfangen.
Kapitel 29
A ls Jane mit der Zubereitung des Teigs für die bestellte Hochzeitstorte begann, merkte sie, dass sie nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Sie rührte und wog ab, wog ab und rührte. Sie vergewisserte sich, dass sich sämtliche Zutaten in Griffweite befanden, und in der richtigen Menge. Die Torte sollte ein Gaumenschmaus und eine Augenweide werden, unberührt von ihrer emotionalen Verfassung.
Doch sie sann darüber nach, was sich verändert hatte, während sie die Rührschüssel in der einen und den überdimensionalen Holzlöffel in der anderen Hand hielt. Sie fühlte sich neuerdings lustlos und ausgepumpt, eindimensional, als sei die Luft aus ihr heraus. Vorher hatte sie bei der Herstellung von Hochzeitstorten – aber auch Geburtstagstorten, Napfkuchen für Premierenfeiern, Pasteten für Thanksgiving oder Keksen für eine Bar-Mizwa – dem Anlass entsprechend eine besondere Zutat hinzugefügt, die nicht im Rezept stand.
Sie hatte ihre ganze Liebe wachgerufen – oft dadurch, dass sie an Chloe dachte, wo sie gerade sein mochte, was sie gerade tat – und in ihre Arbeit gesteckt. Eine solche Anleitung fand sich in keinem Backbuch, aber Jane war fest davon überzeugt, dass diese Liebe ihre Geheimwaffe als Konditorin war. Deshalb waren ihre Backwaren so begehrt. Wie es in der
New York Times
hieß: »Backwaren von Calamity Jane sind mit professioneller Kunstfertigkeit und mütterlichem Herzen gebacken.«
Doch jetzt bemühte sich Jane nicht besonders. Diese Woche würde es keine geheime Zutat geben. Sie hoffte, dass ihre Kunden nichts merkten, aber sie verrichtete ihre Arbeit wie ein Automat: Die Küche kam ihr vor wie ein Labor, und sie folgte den Mengenangaben bis aufs i-Tüpfelchen, aus Angst, sich zu vertun und der Teigmischung zu viel oder zu wenig von einer Zutat beizugeben.
Genau das schien auch in anderen Lebensbereichen ein Problem zu sein. Zu viel oder zu wenig, immer zum falschen Zeitpunkt. Sie verteilte den Teig in drei runde Backformen und musste ihn prompt wieder herausnehmen – sie hatte vergessen, die Böden der Formen zu fetten und mit Mehl zu bestäuben.
Sobald sich die Tortenböden im Ofen befanden, war sie reif für eine Pause. Sie trug eine Baseballkappe mit dem Schirm im Nacken, um die Haare aus den Augen zu halten, aber ein paar Strähnen hatten sich gelöst, die sie mit dem Handrücken aus dem Gesicht strich. Sie schenkte sich ein Glas Saft ein und setzte sich an den Tisch. Der Backofen, eine Spezialanfertigung für Profis, verbreitete Hitze in der ganzen Küche, worüber sie froh war. Denn ihr war kalt.
Ihre Aushilfe war unterwegs, um die bestellten Backwaren auszuliefern. Es war eine neue Kraft, die sich auf Janes Anzeige im
Village
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