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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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deshalb spurtete sie los, schnappte den Hörer und sagte »Hallo«. Es war natürlich Mona, wer sonst.
    »Heiliger Bimbam. Ich bin beschäftigt.«
    »Wie schön für dich. Ich langweile mich zu Tode. Betty Lou und Dad sind heute Abend essen gegangen, um zu testen, wo sie nächste Woche speisen wollen – am Schwarzen Samstag.«
    Chloe kicherte. »Ihr Hochzeitstag?«
    »
Bien sûr.
Am Sonntag findet eine große Party statt, aber für den Abend vorher brauchen sie ein lauschiges Plätzchen – damit er ihr den Schmuck schenken kann, den er für sie gekauft hat.«
    »Damit sie ihn zur Party tragen kann.«
    »Widerlich, die zwei. Und womit bist du beschäftigt?«
    Chloe zögerte. Ihre Sprachprobleme erstreckten sich sogar auf die Fähigkeit, sich Mona anzuvertrauen. Sie hatte ihr kein Sterbenswort von der Collage verraten – weder, dass sie überhaupt eine machte, noch über den Inhalt. Sie betrachtete ihr Kunstwerk: Bilder, die für Chloe und vielleicht auch für eine bestimmte andere Person wichtig waren, schmückten das schwere Bainbridge-Brett.
    Ein Apfelbaum. Eine Pastete. Eine Mutter, die ihr Neugeborenes in den Armen hält. Eine Werbeanzeige für einen Früh-Schwangerschaftstest. Ein Delfin und ein Hai. Das Wort »Calamity«.
    »Ach, nichts Besonderes«, erwiderte Chloe.
    »Ausflüchte. Kann mir ja auch piepegal sein.«
    »Ich habe meine Tage«, sagte Chloe, bewusst das Thema wechselnd.
    »Aha, dann bist du also bombensicher nicht schwanger.«
    »Richtig. Meine zweite Periode in Folge seit der ganzen Aufregung.«
    »Gut zu wissen, dass du wieder fit bist.«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie elend ich mich gefühlt habe«, gestand Chloe.
    Durch das offene Fenster drang ein vertrautes Geräusch, das ihr durch Mark und Bein ging. Zuerst dachte sie, es sei eine Kettensäge, doch dann wurde ihr bewusst: Es waren Geländemaschinen.
    »Vielleicht solltest du es Jane erzählen.«
    »Nein«, sagte Chloe.
    »Das wäre ein Gebot der Höflichkeit.«
    Chloe betrachtete abermals ihre Collage, gedankenverloren, in unausgesprochene Worte versunken. Das Dröhnen der Geländemaschinen wurde lauter. Sie steckte den Kopf aus dem Fenster. Ihre Eltern saßen nicht mehr auf der Treppe. Sie waren wohl ins Haus gegangen. Sie schauderte, aber sie wusste, es gab keine andere Möglichkeit: Sie musste Zeke gegenübertreten.
    »Hörst du das?« Chloe hielt den Hörer ans Fenster.
    »Das Böse existiert.«
    »Auf unserer Plantage.«
    »Ruf Onkel Dylan, um den Teufel auszutreiben.«
    »Warum einen Mann mit Frauenarbeit beauftragen?« Chloe steckte ihre Schere in den Bund ihrer Shorts. »Das ist
meine
Sache.«
    »Sei vorsichtig.« Mona klang besorgt.
    »Bin ich«, versprach Chloe und legte auf. Sie dachte an ihr Wortproblem. Nach Isabels Tod war sie verstummt. Dann hatte sie wieder angefangen zu sprechen, bis zu diesem Sommer. Und nun war sie, obwohl die Veränderung nicht besonders schwerwiegend oder extrem war – ein Durchschnittsmensch würde es kaum bemerken –, innerlich wortkarg geworden.
    Sie wusste, dass es mit Jane zu tun hatte, und mit Zeke. Es gab Dinge, die sie den beiden sagen musste, Worte, die in ihrer Brust gefangen waren. Wie lebendige Wesen, die sie innerlich auffraßen. Sie musste einen Weg finden, sie herauszulassen.
    Die Collage war eine Möglichkeit.
    Die Schere in ihrem Hosenbund eine andere.
    Chloe kletterte auf das Dach hinaus, rutschte an der Regenrinne herunter. Die Katzen, die sie in ihrem Zimmer zurückgelassen hatte, miauten und jammerten. Ich bin bald wieder da, dachte sie und schickte ihnen einen stummen Abschiedsgruß. Sternschnuppen schossen pfeilschnell durch den Himmel, beleuchteten ihren Weg. Sie stieg über den Staketenzaun und rannte barfuß zu den Bäumen hinüber.
    Die Motoren röhrten und heulten. Chloe kannte Zekes bevorzugte Rennstrecke. Sie erinnerte sich an seinen Rundkurs, der über den Hügel, um die Scheune herum und zurück zum Bach führte. Gebückt, um zu vermeiden, dass sie mit den Ästen der Apfelbäume zusammenprallte, lief Chloe durch die Plantage.
    Sie sah die Scheinwerfer. Sie hüpften auf und ab wie illuminierte Luftballons, wie Silbermonde. Sie versteckte sich im Gebüsch, das Herz schlug ihr bis zum Halse. Das Knacken der Zweige und Äste unter den Reifen verriet, dass sie näher kamen. Sie dachte an den Abend, als sie voller Spannung auf Zeke gewartet hatte. Die Erinnerung trieb ihr die Tränen in die Augen, sie trauerte um das unbedarfte junge Mädchen, das sie gewesen

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