Tanz im Mondlicht
hervorragend schmeckten, sondern weil sie irgendwie, ich weiß nicht, anheimelnd wirkten. Nicht extravagant, sondern bodenständig, und köstlich. Die Dekoration gefiel mir ebenfalls.«
»Wirklich?«
»Ja. Genau wie gestern: Äpfel und Apfelbäume. Chloe war ebenfalls begeistert.«
»Das freut mich sehr.«
»Also was ist, backen Sie für uns? Ich glaube, dass die beiden Mädchen am liebsten samstags und sonntags arbeiten würden. Vielleicht könnten wir mit zwei oder drei Obstkuchen pro Tag anfangen. Und ein paar Apfelpasteten.«
»Sagen wir fünf?«
»Klar. Fünf!«
»Was ist mit den Äpfeln?«
Dylan schwieg, überlegte.
»Ich meine, die Kunden werden wissen wollen, ob die Äpfel von der Chadwick-Plantage stammen.«
»Meinen Sie? Wir haben aber noch keine. Glauben Sie, dass die Leute Anstoß daran nehmen?«
»Nein, ich denke, das ist in Ordnung. In New York will jeder wissen, woher die Ware stammt – ob die Pfifferlinge auf einer bestimmten Farm in Stonington, Maine, gezüchtet oder die Himbeeren von den Klosterbrüdern im County Wicklow in Irland von Hand gepflückt wurden …«
Dylan lachte. »Das war schon zu meiner Zeit so. Aber hier sind wir nicht so wählerisch, mit Ausnahme einiger Spitzenrestaurants in Providence.«
»Glauben Sie, ich komme ungestraft davon, wenn ich Granny-Smith-Äpfel aus dem Supermarkt nehme?«
»Würde ich meinen.«
»Gut«, sagte Jane. »Dann lasse ich es auf einen Versuch ankommen.«
Chloes Eltern stritten sich. Es war Samstagabend. Sie hatten sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen, die Tür war geschlossen. Wussten sie nicht, dass man sie trotzdem hören konnte? Auch wenn sie nicht jedes Wort verstand, sprach der Ton ihrer Stimmen Bände. Sie wusste, dass es bei diesen Reibereien meistens um zwei Dinge ging: um Geld oder um sie.
Am Ende hatte sie doch noch Hausarrest bekommen. Man hatte sie ein paar Tage im eigenen Saft schmoren lassen, bevor ihr Vater das Urteil verkündete: zwei Wochenenden Kinoverbot, als Strafe für ihr Fehlverhalten, das Ace Fontaine dazu bewogen hatte, sie zu feuern.
Chloe fragte sich, wie das Leben ihrer Eltern vor ihrer Ankunft gewesen sein mochte. Waren sie glücklicher gewesen? Sie wanderte durch das schmucke Haus. Lautlos glitten ihre Socken über die frisch gebohnerten Holzböden. Im Wohnzimmer blieb sie stehen. Sofa und Sessel hatten Polster aus geblümtem Chintz. Der Servierwagen war auf Hochglanz poliert. Der Schlingenteppich hatte einen weißen Untergrund. Einer der Gründe für das Verbot von Haustieren war, dass sie haarten. Chloe durfte auch nicht auf der Wohnzimmergarnitur sitzen; sie war angehalten, das Esszimmer zu benutzen, wo die Stühle Schonbezüge aus blauer Baumwolle hatten.
Das Bücherregal enthielt nur wenige Bücher, aber jede Menge Dekorations- und Gartenzeitschriften, die Milchglas-Sammlung ihrer Mutter und einige gerahmte Bilder. Chloe nahm das Hochzeitsfoto ihrer Eltern in die Hand.
Das Gesicht ihres Vaters wirkte offen und unbekümmert, als hätte er nicht die geringsten Sorgen. Die Augen ihrer Mutter waren von Glück erfüllt, ihr Mund zu einem perfekten Lächeln verzogen. Wie harmonisch sie miteinander wirkten, wie sehr sie einander ähnelten. Mit ihren rötlich blonden Haaren und den braunen Augen hätte man sie für Geschwister halten können. Sie hatten mit fünfundzwanzig geheiratet. Mit siebenunddreißig hatten sie die Hoffnung aufgegeben, jemals ein eigenes Kind zu bekommen. Und mit achtunddreißig hatten sie beschlossen, Chloe zu adoptieren.
Als sie zu ihnen kam, hatte sie bereits einen Namen.
Das war Teil der Übereinkunft, eine Bedingung für die Adoption. Ihre leibliche Mutter hatte sie in den Armen gehalten, in ihre blauen Augen geblickt und ihr den Namen ›Chloe‹ gegeben. Obwohl ihre Eltern ›Emily‹ vorgezogen hätten, waren sie damit einverstanden gewesen, die Wünsche der leiblichen Mutter zu berücksichtigen. So sehr wollten sie ein Kind haben.
Aber hatten sie wirklich gewusst, worauf sie sich einließen? Wären sie auch dann zur Adoption bereit gewesen, wenn sie geahnt hätten, wie sehr sich ihr Leben dadurch verändern würde? Diese hellblonde, braunäugige Familie hatte sich eine Laus in den Pelz gesetzt, Chloe, den Satansbraten. Schwarze Haare, eisblaue Augen, eher Wildkatze als folgsames Mädchen, das zu Widerworten und Aufmüpfigkeit neigte.
Chloe ging zum Fenster, stieß es auf. Heute Abend tanzten die Katzen, die zur Plantage gehörten. Sie spielten im Mondschein,
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