Tanz im Mondlicht
nichts mehr im Wege stünde.
»Bewahrst du ihr Bild darin auf?«, fragte Margaret.
Jane antwortete nicht. Sie senkte den Blick, musterte ihre staubigen Hände. Margaret sah einen blauen Farbklecks auf ihren Fingern und wunderte sich, woher er stammen mochte.
»Wohin fährst du eigentlich, wenn du dir den Wagen ausleihst?«, hakte Margaret nach.
»Mom, ich fahre einfach in der Gegend herum.«
»Sylvie machen deine Spritztouren nervös, wie mir scheint. Deshalb frage ich.«
»Mom, lass uns lieber über dich reden«, erwiderte Jane mit Bedacht und wechselte das Thema. »Wie fühlst du dich?«
»Ach, Kind. Mir geht es gut. Wirklich.«
»Du wirkst so erschöpft seit dem Abend in Crofton.«
»Ach ja, das Pädagogen-Dinner.« Margaret seufzte. »Es war schön, mal wieder unter Menschen zu sein – die Kollegen aus meiner alten Schule wieder zu sehen, die anderen Rektoren, und die junge Generation – so viele Nachwuchskräfte, die nach meiner Zeit kamen. Es hat Spaß gemacht, sie zu begrüßen, mir Bilder von den Kindern und Enkelkindern anzuschauen. Natürlich war es weniger erfreulich, über meinen eigenen Gesundheitszustand zu berichten … ich bin dessen so überdrüssig! Weißt du, Gesundheit ist ein Gut, das man leicht als selbstverständlich hinnimmt, solange man es hat. Wenn man gefragt wird: ›Wie geht es dir?‹, antwortet man automatisch: ›Danke, gut.‹ Ich sehne mich nach jener Zeit zurück …«
»Ich weiß.«
Margaret seufzte. Ihre Füße und Beine schmerzten. Dabei war sie nur einen einzigen Abend länger als sonst auf den Beinen gewesen, und das vor einer Woche. In letzter Zeit ließ auch ihr Augenlicht erheblich nach. Das Lesen fiel ihr zunehmend schwerer. Dennoch wagte sie es nicht, den Mädchen davon zu erzählen. Die beiden würden ihrem Konto nur einen neuen Minuspunkt hinzufügen, ›verringerte Sehfähigkeit‹, ein weiterer Grund, ein Pflegeheim in Betracht zu ziehen.
»Alles in allem kann ich mich nicht beklagen.« Sie rang sich ein Lächeln ab.
»Mom, wir wissen, dass es dir schwerfällt, allein aus dem Bett aufzustehen. Und du möchtest weder Sylvie noch mich mitten in der Nacht wecken …«
»Pssst.« Margaret schloss die Augen. Sie spürte, wie sie errötete. Jane hatte recht: Sie wollte ihre Töchter nicht stören. Letzte Nacht hatte sie nicht gerufen, damit jemand sie rechtzeitig ins Badezimmer brachte, und da war ihr ein Malheur passiert. Das Nachthemd und die Bettwäsche waren nass …
»Wir waren nicht verärgert. Wir machen uns nur Sorgen um dich«, sagte Jane.
»Besprecht ihr, wie es mit mir weitergehen soll?«
»Ich möchte schon.« Janes Augen waren groß und unerschütterlich. »Aber Sylvie nicht.«
»Du willst dich rächen, oder? Mir heimzahlen, was ich dir angetan habe.«
Jane schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
»Weil ich dich schützen wollte und ein gutes Zuhause für das Kind gefunden habe.«
»Das Kind hat einen Namen«, wies Jane sie mit fester Stimme zurecht. »Chloe.«
Margaret biss sich auf die Lippe. Sie hatte sich stets geweigert, den Namen laut auszusprechen, und dabei würde es bleiben. Es machte alles nur noch schlimmer, noch unerträglicher. Warum tat Jane, ihre wunderbare, empfindsame Tochter, sich so etwas an? Ihr Blick fiel auf Janes Medaillon. Am liebsten hätte sie es ihr vom Hals gerissen und zum Fenster hinausgeworfen. Und Janes Erinnerungen, all diese schrecklichen Gefühle, mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Hätte der Doktor Jane doch nie gestattet, Zeit allein mit dem Kind zu verbringen, ihr eine Schleife ins Haar zu binden, sie fotografieren zu lassen.
»Ich habe es für dich getan …«, begann Margaret.
»Mom, bitte nicht. Das ist Ewigkeiten her. Jetzt geht es darum, sich mit der Zukunft zu befassen. Du brauchst eine intensivere, professionelle Betreuung. Ich habe Angst, dass du stolperst, hinfällst und dir den Kopf anschlägst bei dem schlechten Zustand, in dem sich deine Füße befinden. Oder Sylvie holt sich eine Rückenverletzung bei dem Versuch, dich aus dem Bett zu hieven.«
»Ich bin leicht. Ich wiege nicht viel …« Sie nahm sich vor, weniger zu essen, noch mehr abzunehmen. Sie würde besser auf ihre Füße achten. Sie würde die entzündungshemmende Salbe ausprobieren, die ihr der Arzt verschrieben hatte. Sie würde die Pantoffeln mit den Magneteinlagen tragen, sogar im Bett.
»Wie wäre es mit einer Pflegerin, die im Haus wohnt?«, fragte Jane. »Die rund um die Uhr für dich da ist.«
Margaret
Weitere Kostenlose Bücher