Tanz mit dem Engel
sich in der kleinen Einbauküche umwandte, um sich den vierten Martini Dry des Abends zu genehmigen und gleichzeitig das Profil im Barspiegel zu kontrollieren. Kleine Mama.
»Wie ist es heute auf dem Green gelaufen?« fragte er.
»Wir sind nicht weggekommen, Bub«, sagte sie.
»Oh.«
»Es hat den ganzen Tag geregnet, aber jetzt muß.«
»Das ist ja bedauerlich. Habt ihr das Haus nicht gekauft, um dem zu entgehen?«
Sie seufzte im Hörer, ein nasses Seufzen, das einen in Alkohol getränkten Nachklang hatte.
»Eigentlich ist es gut, es wird dann nur grüner auf dem Green, Bub.«
Sie lachte, und er dachte an Bremsbacken, die gegeneinander schaben, ohne Schmieröl.
»Warte, Papa sagt etwas«, sagte sie, und er lauschte in das Rauschen und Schweigen hinein, den ganzen Weg hinunter nach Marbella. Die Stimme kam zurück, schriller als zuvor, als wäre in der Leitung etwas zerbrochen.
»Erik?«
»Ich bin noch da.«
»Papa sagt, daß du zum Geburtstag hier unten willkommen bist.«
»Der ist doch im März.«
»Wir wissen, wieviel du zu tun hast. Planung, weißt du. Wir planen. Papa sagt, er spendiert alles. Aber das war nicht.«
Er sah seinen Vater an dem dünnen kleinen Stahlrohrtisch auf der Terrasse. Ein großer Mann mit schwerem Kopf und starkem grauem Haar, eine hübsch geäderte Nase, rote Gesichtshaut, die nicht braun werden wollte, und mit einem ständig lauernden, böswilligen kleinen Gedanken im Kopf: War es das, was herauskam, wenn Geld zum Lebenssinn wurde?
»Das kann ich nicht annehmen«, unterbrach er sie.
»Was?«
»Hättest du mich zu der Reise eingeladen, wäre es etwas anderes gewesen. Aber nicht unser verarmter Vater.«
»Haha. Erik, jetzt muß.«
»Ich glaube nicht, daß es geht. Wir haben einen Fall be.«
»Wir haben davon gelesen. Ist das nicht furchtbar? Der arme Junge und unsere Nachbarn und alles. Ich habe es während des ganzen Gesprächs sagen wollen, aber du hast mir ja keine Gelegenheit gegeben. Wir haben die Zeitungen gerade heute bekommen, da ist etwas falsch...«
»Ja. Das ist wirklich grauenhaft.«
»Lotta hatte auf den Anrufbeantworter gesprochen, aber wir waren einige Tage nicht zu Hause. Papa hat immer von Gibraltar geredet, und so sind wir hingefahren.«
»Ja.«
»Wir haben eben mit Lotta gesprochen.«
Winter antwortete nicht. Er dachte an einen warmen Wind. Er hörte, wie seine Mutter Rauch schräg nach oben blies, und das Klirren von zwei Eiswürfeln.
»Es ist ja in London passiert. London ist eine schreckliche Stadt«, sagte sie.
»Die spanischen Großstädte sind viel sicherer.«
Sie antwortete nicht. Er wußte, daß sie nicht zuhörte.
»Ich finde, daß du in den Zeitungen gut geantwortet hast.«
»Ich habe absolut nichts gesagt.« »Aber das war gut«, sagte sie.
Er blickte auf den Bildschirm. Ohne daß ihm richtig bewußt war, was er gemacht hatte, war er von der amerikanischen Westküste nach Europa und an die spanische Sonnenküste gesurft. Es war, wie wenn man nebenbei kritzelt, wie während eines anderen Telefongesprächs.
Nun hatte er den Stadtplan von Marbella vor sich, und der Schirm begann an den Rändern schwach zu flimmern. Ein Hinweis auf die Wärme in der Stadt. Er tippte sich nach Südosten und setzte den Cursor ungefähr auf den Punkt, von dem die Stimme nun im Handy zurückkam:
»Erik?«
»Ja, Mutter?«
»Ich hatte vor, Lasse und Karin anzurufen.« »Jetzt?«
»So spät ist es doch noch nicht?«
Es ist ungefähr vier trockene Martini und eine halbe Flasche weißen Rioja zu spät, dachte er. Vielleicht manana.
»Es ist sehr viel für sie gewesen. Heute abend würde ich es lieber sein lassen.«
»Du hast wohl recht. Du bist gescheit.«
»Für einen Bullen.«
»Wir haben uns daran gewöhnt.« Er hörte das Geräusch eines Mixers in ihrer rechten Hand. »Du bist doch der jüngste Kommissar des Landes.«
»Ich muß hier noch bißchen weiterarbeiten«, sagte er und klickte die Costa del Sol vom Schirm.
»Wir rufen bald wieder an.«
»Ja. Tschüs und Grüße an Papa.«
»Denk über das Angebot nach.«, sagte sie, aber das Telefon lag schon auf dem Tisch.
Winter stand auf und ging in die Küche. Er goß Wasser in den Schnellkocher, steckte den Stecker in die Wand und drückte auf den Knopf. Während das Wasser im Apparat zischte, machte er ein Tee-Ei fertig und legte es in einen Porzellanbecher. Er goß ein wenig Milch ein und dann das Wasser, als es fertig war. Als die Teeblätter genügend Farbe gegeben hatten, nahm er das Ei
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