Tanz mit dem Schafsmann
schlafen kann. Wir fühlen uns wohl, wenn wir zusammen sind. Wie ich dir bereits sagte, wir haben tollen Sex miteinander. Wir verstehen uns ohne Worte. Jeder weiß, was in dem anderen vorgeht. Es herrscht ein viel tieferes Verständnis als damals in unserer Ehe. Wir lieben uns , um es genau zu sagen. Aber das wird nicht ewig so weitergehen. Wir können uns nicht immer in Absteigen verkriechen, das würde uns seelisch und körperlich auszehren. Irgendwann kommt die Boulevardpresse dahinter, und dann gibt es einen Skandal. Wenn die Paparazzi uns aufspüren, werden sie mich fressen, und zwar bis auf die Knochen. Wir treiben ein gefährliches Spiel. Ich bin mit den Nerven fertig. Wie gern würde ich ein ganz normales, ordentliches Leben mit ihr führen, ohne das Licht der Öffentlichkeit scheuen zu müssen! Das ist mein innigster Wunsch. Gemütlich zusammen essen und spazieren gehen. Kinder möchte ich auch haben. Aber das sind natürlich Luftschlösser. Mit ihrer Familie werde ich mich nie aussöhnen. Sie haben mir unverzeihliche Dinge angetan, und ich bin dann gegen sie vorgegangen. Das Einfachste wäre, sie würde sich von ihrer Sippe lossagen, aber das bringt sie nicht übers Herz. Es ist wirklich eine gemeine Bande. Die nutzen sie aus bis zum Gehtnichtmehr. Und sie weiß das. Und kommt trotzdem nicht los von ihnen. Sie sind zusammengewachsen wie siamesische Zwillinge. Unzertrennlich. Es ist ausweglos.«
Gotanda schwenkte sein Glas, sodass die Eiswürfel klirrten. »Es ist schon merkwürdig«, sagte er mit einem bitteren Lächeln. »Ich bekomme fast alles, was ich will, außer dem, was ich mir wirklich wünsche.«
»Tja, so ist das nun mal«, sagte ich. »Aber die Dinge, die ich erreichen konnte, waren schon immer sehr beschränkt. Also kann ich gar nicht mitreden.«
»Das stimmt nicht«, entgegnete Gotanda. »Du wünschst dir solche Dinge gar nicht erst. Oder wolltest du etwa einen Maserati oder eine Luxuswohnung in Azabu?«
»Sehr scharf bin ich nicht darauf. Im Moment brauche ich so was nicht. Der Subaru und das bescheidene Apartment genügen mir vollkommen. Na ja, vollkommen ist vielleicht etwas übertrieben – sie entsprechen mir, sind behaglich und bereiten mir keine Umstände. Aber wer weiß? Vielleicht kommt einmal eine Zeit, in der ich solche Dinge brauche und mir wünsche.«
»Nein, das glaube ich nicht. Solche Dinge sind absolut nicht nötig. Der Wunsch danach ist nicht natürlich, sondern künstlich erzeugt. Mir ist es egal, wo ich wohne. Ob nun in Itabashi oder Kameido oder Nakano – Hauptsache, man hat ein Dach über dem Kopf. Das reicht für ein zufriedenes Leben. Aber die Leute von der Agentur meinen, als Star müsse man unbedingt in Minato-ku wohnen. Deshalb haben sie mir die Wohnung in Azabu gemietet. Blödsinn. Was ist denn so toll an diesem Bezirk? Eine Reihe neppiger Schickimicki-Restaurants, die von Modedesignern betrieben werden, dieser grässliche Tokyo Tower und vulgäre Frauen, die sich bis in die Morgenstunden dort rumtreiben. Mit dem Maserati ist es das Gleiche. Mir würde ein Subaru genügen. Klasse Wagen. Wer fährt schon einen Maserati in Tokyo? Das hat sich ebenfalls die Agentur ausgedacht. Ein Filmstar fährt doch keinen Subaru oder Bluebird oder Corona! Es muss partout ein Maserati sein. Sündhaft teuer, obwohl es nicht einmal ein Neuwagen war. Er gehörte vorher einem Volksliedsänger.«
Er goss sich Whiskey über das fast geschmolzene Eis, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
»Das ist also die Welt, in der ich lebe. Minato-ku, ein europäischer Sportwagen und eine Rolex am Handgelenk. Damit gehört man zur High Society. Verdammte Scheiße. Völliger Schwachsinn. Ich will damit nur sagen, dass die vermeintlichen Bedürfnisse künstlich erzeugt werden. Dass sie unnatürlich sind. Reine Fassade. Niemand braucht so etwas, aber es wird einem vorgegaukelt, dass man es haben muss. Es ist ganz einfach, man muss die Leute nur mit den Botschaften bombardieren: Wohnung in Minato-ku, BMW, Rolex. Und das oft genug wiederholen, um es ihnen einzubleuen: Wohnen in Minato-ku, BMW, Uhr: Rolex. Manche glauben tatsächlich, sie könnten sich damit von der Masse abheben. Ich bin anders als die anderen . Und dabei merken sie gar nicht, dass sie im Endeffekt genau wie alle anderen sind, weil es ihnen nämlich an Phantasie mangelt. Alles unecht – künstliche Botschaften, nichts als Illusion. Mir hängt dieser ganze Kram zum Hals raus. Ich würde so gern ein stinknormales Leben
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