Tanz mit dem Schafsmann
selbstverständlich decken. Sie wären immerhin die Leidtragenden, wenn ich in einen Skandal verwickelt werde und nicht mehr als Ware gehandelt werden kann. Für sie bin ich eine wichtige Investition. Klar, wenn du gleich zu Anfang meinen Namen erwähnt hättest, hätte die Polizei mich ohne weiteres drangekriegt. Du warst das einzige direkte Verbindungsglied. Da hätten mir politische Beziehungen auch nicht helfen können. Aber darüber brauche ich mir jetzt keine Sorgen mehr zu machen. Alles Weitere ist ein Kräftespiel, System gegen System.«
»Ein schmutziges Gewerbe«, sagte ich.
»In der Tat. Schmutzig bis ins Mark.«
»Zwei Stimmen für schmutzig.«
»Wie bitte?«
»Zwei Stimmen für schmutzig. Antrag angenommen.«
Er nickte und lächelte bitter. »Genau, zwei Stimmen für schmutzig. Keiner schert sich um die Ermordete, alle denken nur daran, die eigene Haut zu retten. Ich eingeschlossen.«
Ich ging in die Küche, um Eiswürfel nachzufüllen, und brachte Cracker und Käse mit.
»Ich hätte eine Bitte«, sagte ich. »Ich möchte, dass du den Club anrufst und für mich eine Frage stellst.«
Er zwickte sich ins Ohrläppchen »Was willst du denn wissen? Alles, was mit dem Mordfall zu tun hat, ist tabu. Sie würden niemals etwas ausplaudern.«
»Es hat gar nichts damit zu tun. Ich möchte gern etwas über ein Callgirl in Honolulu erfahren. Mir wurde gesagt, man kann über den Club auch Mädchen im Ausland bestellen.«
»Von wem weißt du das?«
»Hat mir jemand erzählt. Sein Name spielt keine Rolle. Ich könnte mir vorstellen, dass die Organisation, von der dieser Typ gesprochen hat, identisch ist mit dem Club, den du kennst.
Man muss nämlich reich, vertrauenswürdig und prominent sein, um Mitglied zu werden. Ich käme da nicht in Frage, wurde mir gesagt.«
Gotanda lächelte. »Ja, von diesem System, dass man per Telefon eine Frau im Ausland bestellen kann, habe ich schon gehört. Ausprobiert habe ich es noch nicht. Es könnte sich durchaus um denselben Club handeln. Was möchtest du über das Mädchen in Honolulu denn wissen?«
»Erkundige dich einfach, ob es eine Südostasiatin namens June gibt.«
Gotanda dachte kurz nach, fragte aber nicht weiter. Er notierte sich den Namen in seinem Notizbuch.
»June … und weiter?«
»Also hör mal, sie ist ein Callgirl!«, sagte ich. »Einfach nur June. Wie der Monat.«
»Okay, morgen rufe ich dort an«, versprach er.
»Danke, ich werde mich revanchieren«, sagte ich.
»Vergiss es. Verglichen mit dem, was du für mich getan hast, ist das eine Bagatelle. Sei unbesorgt.« Zwinkernd formte er ein Okay mit Daumen und Zeigefinger. »Warst du eigentlich allein auf Hawaii?«
»Wer reist schon allein nach Hawaii? Ich war natürlich mit einem Mädchen dort. Einem umwerfend hübschen Mädchen sogar. Sie ist allerdings erst dreizehn.«
»Was, du hast mit einer Dreizehnjährigen geschlafen?«
»Quatsch. Sie hat doch noch gar keinen Busen.«
»Warum bist du dann mit ihr verreist?«
»Um ihr Tischmanieren beizubringen, ihr den Sexualtrieb zu erläutern, über Boy George zu lästern, E. T. im Kino zu sehen und so weiter.«
Gotanda sah mich lange an und lächelte dann ein wenig gequält. »Verrückt«, sagte er. »Alles, was du tust, ist immer irgendwie ein bisschen verrückt. Wieso eigentlich?«
»Wieso? Es ist gar nicht meine Absicht. Die Ereignisse treiben in diese Richtung. Bei May war es genauso. Niemand kann etwas dafür. Es ergibt sich einfach.«
»Hm«, machte er. »Hattest du denn schöne Ferien?«
»Sicher.«
»Du hast ja auch gut Farbe bekommen.«
»Sicher.«
Gotanda trank einen Schluck Whiskey und knabberte an einem Cracker.
»Während du weg warst, habe ich meine Exfrau ein paar Mal getroffen«, sagte er. »Es lief ganz gut. Hört sich vielleicht komisch an, aber Sex mit der Exfrau kann richtig Spaß machen.«
»Kann ich mir vorstellen«, erwiderte ich.
»Wie wär’s, wenn du dich auch mit deiner Ex triffst?«
»Keine Chance. Sie wird demnächst wieder heiraten. Habe ich dir das noch nicht erzählt?«
Gotanda schüttelte den Kopf. »Nein, davon weiß ich nichts. Schade.«
»Ach, es ist besser so«, sagte ich aufrichtig. »Aber wie steht es mit deiner?«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist zum Verzweifeln. Völlig hoffnungslos. Anders kann ich es nicht nennen. Ein Neubeginn würde zu nichts führen. Aber so verstehen wir uns besser als je zuvor. Wir können uns nur heimlich in einem Motel treffen, wo man anonym bleiben und zusammen
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