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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nicht so prominent war.«
    Bei jedem anderen hätte diese Bemerkung unglaublich anmaßend geklungen, aber aus seinem Munde wirkte sie wie ein Kompliment, ehrlich und unverblümt.
    Mein Apartment war in vier Räume unterteilt: Wohnzimmer, Küche, Bad und Schlafzimmer. Alle ziemlich eng. Die Küche glich eher einem breiteren Korridor, gerade groß genug für einen hohen, schmalen Geschirrschrank und einen Essplatz für zwei Personen. Das Schlafzimmer war auch nicht geräumiger; mit dem Bett, dem Kleiderschrank und dem Arbeitstisch war es voll. Das Wohnzimmer bot ein bisschen Platz, da ich kaum etwas hineingestellt hatte, nur ein Bücherregal, ein Plattenregal und die Stereoanlage. Keinen Tisch, keine Stühle. Dafür zwei Sitzkissen von Marimekko, die man auch als Rückenpolster an die Wand lehnen konnte, was sehr gemütlich war.
    Ich erklärte Gotanda, wie er es sich auf den Kissen bequem machen konnte, und stellte den niedrigen Klapptisch auf, den ich nur aus dem Wandschrank holte, wenn ich ihn brauchte. Dann servierte ich dunkles Bier und mein Spinatgericht und legte nochmals die Schubert-Platte auf.
    »Phantastisch!«, rief Gotanda. Es klang nicht nach einer Höflichkeitsfloskel, sondern ganz aufrichtig.
    »Soll ich noch etwas zu essen machen?«
    »Macht das nicht zu viele Umstände?«
    »Aber nein. Geht ganz schnell. Nichts Umwerfendes, aber für einen kleinen Imbiss reicht’s.«
    »Darf ich zuschauen?«
    »Na klar«, sagte ich.
    Ich bereitete ein paar Snacks zu: Frühlingszwiebeln mit Salzpflaumen. Wakame-Algen und Krabben in Vinaigrette. Fischbällchen, hauchdünn in Scheiben geschnitten, mit Meerrettich und geriebenem Rettich. Dünne Kartoffelscheiben, gebraten in Olivenöl und Knoblauch, mit gehackter Salami. Geraspelte Gurken. Es waren auch noch Hijiki-Algen und Tofu da. Und als Beilage einen großen Batzen von geriebenem Ingwer.
    »Großartig«, seufzte Gotanda. »Du bist genial.«
    »Ach was, das ist ganz schnell zubereitet. Reine Übungssache. Wichtig ist nur, dass man die vorhandenen Zutaten einfallsreich zubereitet.«
    »Trotzdem genial. Ich brächte so etwas nicht zustande.«
    »Und ich könnte keinen Zahnarzt spielen. Jeder hat seine Vorzüge. Different strokes for different folks.«
    »Genau. Weißt du was, heute Abend bleiben wir einfach hier, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Meinetwegen gern«, sagte ich.
    Wir tranken und aßen. Als das Bier alle war, wechselten wir zu Cutty Sark. Wir hörten Sly & The Family Stone, Doors, Stones, Pink Floyd und  Surf’s Up von den Beach Boys. Ein Sechziger-Jahre-Revival. Loving Spoonful, Three Dog Night. Hätte sich ein ernsthafter Außerirdischer hierher verirrt, er hätte geglaubt, er sei in eine Zeitschleife geraten.
    Ein Außerirdischer schaute zwar nicht vorbei, aber ab zehn Uhr fing es draußen an zu nieseln. Sanft und leise. Gerade noch vernehmbar in der Traufe. Fast so leise wie der Tod.
    Zu späterer Stunde legten wir dann keine Platten mehr auf. Mein Apartment hatte nicht so schalldichte Wände wie Gotandas Wohnung. Wenn ich nach elf Uhr Musik spielte, wären die Nachbarn verärgert. Dem Regen lauschend, sprachen wir über die Tote. Die Polizei sei mit ihren Ermittlungen bisher kaum vorangekommen, berichtete ich. Ja, leider, sagte Gotanda, der ebenfalls die Zeitungen und Zeitschriften durchforstet hatte.
    Ich öffnete eine zweite Flasche Cutty Sark, und mit dem ersten Glas stießen wir auf May an.
    »Die Bullen haben sich in ihren Ermittlungen jetzt auf einen Callgirl-Ring konzentriert«, sagte ich. »Sie müssen irgendeinen Anhaltspunkt in die Hände bekommen haben. Ich befürchte, sie stoßen eventuell auch auf dich.«
    »Möglich wäre es«, sagte Gotanda und zog leicht die Augenbrauen zusammen. »Aber ich nehme an, es passiert nichts. Ich war auch etwas nervös und habe mich ganz beiläufig bei meinen Leuten in der Agentur erkundigt, ob der Club absolut die Diskretion wahrt. Und weißt du was? Offenbar hat der Club ziemlich viele politische Beziehungen. Ein paar hohe Tiere gehören auch zur Klientel. Selbst wenn die Bullen da zu schnüffeln anfangen, wird der Club sich schon zu helfen wissen. Da kommen sie also nicht weit. Und meine Agentur hat ebenfalls einen Draht zu politischen Kreisen. Kein Wunder, denn sie hat einige der großen Stars unter Vertrag. Außerdem unterhält sie Verbindungen zu Syndikaten. Also wird man dort schon dafür sorgen, dass nichts rauskommt. Da ich für die Agentur sozusagen eine Goldgrube bin, werden sie mich

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