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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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zugeschnürt, und ich habe einen Kloß im Magen. Einen Fremdkörper. Wie Wattebäusche. Merkst du denn gar nichts?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich. »Ich will zwar nicht behaupten, dass ich mich so richtig anfreunden kann mit dem Wagen, aber ich glaube, das liegt daran, dass ich an den Subaru gewöhnt bin. Man kann sich eben nicht so schnell umstellen. Aber das hat nichts mit deinem erdrückenden Gefühl zu tun.«
    Yuki schüttelte den Kopf. »Nein, bei mir ist es was anderes. Ein ganz eigenartiges Gefühl.«
    »Das Besagte? Ich meine diese …« Höhere Eingebung, wollte ich sagen, unterbrach mich aber. Es passte nicht. Wie sollte man es sonst bezeichnen? Eine spirituelle Eingebung? Alles, was ich hätte sagen können, klang banal.
    »Ja, das ist es«, sagte sie leise. »Ich spüre es.«
    »Was spürst du? Was ist mit dem Auto?«
    Yuki zuckte mit den Schultern. »Wenn ich es nur genau erklären könnte. Ich habe keine konkrete, bildhafte Vorstellung davon. Es ist einfach nur ein Gespür – verschwommen, undurchsichtig, wie geballte, dichte Luft. Es fühlt sich schrecklich an, so schwer, dass es mich erdrückt. Es ist etwas Schlechtes .« Yuki legte die Hände auf die Knie und suchte nach Worten. »So genau weiß ich es auch nicht. Aber es ist etwas Schlechtes. Etwas Falsches. Etwas Verzerrtes. Das einem den Atem raubt. Schwere, drückende Luft. Als wäre man in einem Bleikasten im Meer versenkt worden. Erst dachte ich, es wäre reine Einbildung, und versuchte es auszuhalten. Ich schob es auf den Jetlag. Aber es wurde immer schlimmer. Nie wieder steige ich in dieses Auto. Hol dir deinen Subaru zurück.«
    »Der Fluch des Maserati«, scherzte ich.
    »Ich habe das nicht zum Spaß gesagt. Du solltest dieses Auto nicht fahren«, sagte sie sehr ernst.
    »Der verhängnisvolle Maserati.« Ich lächelte. »Schon gut, ich weiß, du meinst es ernst. Ich verspreche dir, dass ich möglichst nicht damit fahre. Oder vielleicht sollte ich ihn im Meer versenken?«
    »Das wäre noch besser«, sagte Yuki, immer noch todernst.
    Wir blieben etwa eine Stunde auf der Bank sitzen, bis Yuki sich von dem Schock erholt hatte. Sie stützte das Kinn auf und hielt die Augen geschlossen. Ich beobachtete die Passanten, die an mir vorübergingen: alte Leute, Mütter mit Kindern und Touristen mit Kameras vor den Bäuchen. Am frühen Nachmittag waren nicht allzu viele hier im Schreinbezirk unterwegs. Hin und wieder ließen sich auch Angestelle aus den umliegenden Büros und Geschäften blicken, die sich auf Parkbänken eine Pause gönnten. Ich erkannte sie an den dunklen Anzügen, den Aktenkoffern aus Kunststoff und den leeren Blicken. Nachdem sie sich zehn, fünfzehn Minuten ausgeruht hatten, gingen sie wieder ihrer Wege. Selbstverständlich arbeiteten zu dieser Tageszeit alle vernünftigen Menschen. Und alle vernünftigen Kinder waren in der Schule.
    »Was ist mit deiner Mutter?«, erkundigte ich mich. »Ist sie mit dir zurückgekommen?« »Ja. Sie ist jetzt in Hakone. Mit ihrem einarmigen Freund. Sie sind dabei, die Fotos aus Katmandu und Hawaii zu sortieren.«
    »Und du willst nicht dorthin?«
    »Irgendwann schon, wenn ich Lust habe. Aber im Moment bleibe ich lieber hier. In Hakone weiß ich nicht, was ich machen soll.«
    »Ich frage aus reiner Neugierde. Du sagst, du hättest in Hakone nichts zu tun, aber was, bitte schön, machst du denn hier in Tokyo ganz allein?«
    Sie zuckte die Schultern und sagte, hier könne sie sich mit mir vergnügen.
    Daraufhin schwiegen wir beide. Ein Schweigen, das in der Luft hing.
    »Na wunderbar«, sagte ich. »Die Worte des HERRN. Schlicht, aber eine Offenbarung. Wir beide vergnügen uns für immer und ewig. Das ist ja wie im Paradies. Wir verbringen unsere Zeit damit, bunte Rosen zu pflücken, im goldenen Teich herumzuplanschen, Schiffchen schwimmen zu lassen und ein Hündchen mit braunem Zottelfell zu waschen. Wenn wir hungrig sind, fallen Papayas von den Bäumen, und wenn uns der Sinn nach Musik steht, singt Boy George nur für uns vom Himmel herab. Traumhaft. Besser geht’s nicht. Aber realistisch gesehen, müsste ich doch langsam mal wieder arbeiten. Ich kann nicht ewig mit dir Ferien machen. Und ich will auch nicht, dass dein Vater mich dafür bezahlt.«
    Yuki sah mich schmollend an. »Ich verstehe ja, dass du von meinen Eltern kein Geld annehmen willst, aber warum redest du so gemein darüber? Was glaubst du, wie ich mich manchmal fühle, wenn ich dich hier durch die Gegend zerre? Ich weiß, dass

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