Tanz mit dem Schafsmann
mich ein, kriechen wie glitschige Aale auf mich zu, ohne dass ich in meiner Blindheit etwas erkennen kann. Hilflosigkeit übermannt mich. Als seien meine Poren der Dunkelheit schonungslos ausgesetzt. Mein Hemd ist klitschnass vor kaltem Schweiß. Meine Kehle ganz trocken. Ich versuche zu schlucken, es gelingt mir kaum.
Wo zum Teufel bin ich? Das ist nicht das Dolphin Hotel. Garantiert nicht. Zumindest das steht fest. Es ist ein völlig anderer Ort. Ich habe irgendeine Grenze überschritten und bin in eine merkwürdige Welt geraten. Ich schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Es klingt lächerlich, aber wie gerne hätte ich jetzt Love is Blue vom Paul Mauriat Grand Orchestra gehört. Oder irgendein anderes Gedudel. Ach, wäre das herrlich. Es würde mir richtig Mut machen. Meinetwegen auch Richard Claydermann. Damit ließe es sich aushalten. Oder Los Indios Tabajaras, José Feliciano, Julio Iglesias, Sergio Mendes, Patridge Family, 1910 Fruitgum – alles soll mir recht sein. Egal was, Hauptsache Musik. Damit könnte ich es hier aushalten. Es ist einfach zu still. Ich würde auch Mitch Miller & Chorus hinnehmen, oder Andy Williams im Duett mit Al Martino …
Nun reicht’s. Ich spinne wohl. Jetzt muss ich mal meinen Geist beschäftigen. Egal mit was. Nur um die Leere in meinem Kopf zu füllen. Aus purer Angst. Kann Angst sich in Leere hineinschleichen?
Michael Jackson tanzt mit einem Tamburin um das Lagerfeuer und singt Billie Jean . Sogar die Kamele lauschen gebannt.
Mein Geist ist etwas verwirrt.
Mein Geist ist etwas verwirrt.
Meine Gedanken hallen in der Dunkelheit. Wie ein Echo.
Ich holte tief Luft und verscheuchte die blödsinnigen Hirngespinste. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste mich in Bewegung setzen. Oder etwa nicht? Deshalb war ich schließlich hergekommen.
Ich gab mir einen Ruck und tastete mich mit ausgestreckten Armen nach rechts durch die Dunkelheit. Doch die Beine wollen noch nicht so recht. Als ob sie nicht zu mir gehören. Muskeln und Nerven sind nicht mehr koordiniert. Ich will die Beine bewegen, aber sie gehorchen mir nicht. Ich bin eingetaucht in flüssige Dunkelheit. Ich sitze in der Falle. In einer Dunkelheit, die nie enden wird. Bis in die tiefsten Tiefen der Erde. Ich schreite auf dieses Zentrum zu. Wenn ich erst einmal dort bin, werde ich nie wieder auftauchen.
Denk an etwas anderes, ermahnte ich mich. Sonst würde die Angst wieder Besitz von mir ergreifen. Ich könnte das Drehbuch weiterspinnen. Bis wohin war ich gekommen? Ach ja, der Auftritt des Schafsmannes. Doch die Wüstenszene war damit auch schon beendet. Wir befinden uns wieder im Palast des Pharaos. Ein prunkvoller Bau. Die Schätze Afrikas sind hier versammelt. Überall nubische Sklaven. Mittendrin thront der Pharao. Es erklingt Musik im Stil von Miklos Rosza. Der Pharao ist sichtlich verstimmt. Etwas ist faul im Staate Ägypten, denkt er sich. Hier im Palast ist eine Verschwörung im Gange. Ich kann es deutlich spüren. Es muss wieder Ordnung geschaffen werden.
Ich tastete mich ganz behutsam Schritt für Schritt voran. Plötzlich wurde mir klar, wie bravourös meine Freundin von der Rezeption die Sache gemeistert hatte. Es war erstaunlich. In ein unbekanntes schwarzes Loch geworfen, hatte sie sich ganz allein im Dunkeln vorgewagt, um herauszufinden, was da vor sich ging. Ich hingegen wusste von vornherein, auf was ich mich einließ, und hatte trotzdem Angst. Wäre ich wie sie ohne Vorwarnung in diese Dunkelheit geraten, hätte ich wohl kaum den Mut aufgebracht, mich vorwärts zu tasten. Ganz bestimmt wäre ich reglos vor dem Fahrstuhl stehen geblieben.
Ich dachte an sie. Stellte mir vor, wie sie in einem glänzend schwarzen Wettkampfbadeanzug am Schwimmunterricht teilnahm. Natürlich durfte mein ehemaliger Klassenkamerad, der Filmschauspieler, nicht fehlen. Auch sie würde ihn anhimmeln, hingerissen zu ihm aufblicken, wenn er darauf Acht gab, dass sie beim Kraulen die rechte Hand streckte. Nachts würde sie dann in sein Bett schlüpfen. Wie deprimierend! Ich fühlte mich gekränkt. Das darf man nicht zulassen. Du hast doch keine Ahnung, meine Kleine. Zugegeben, er ist nett und sympathisch. Er schmeichelt sich bei dir ein, um dich zum Höhepunkt zu bringen. Aber weiter reicht seine Nettigkeit nicht. Das gehört noch zum Vorspiel.
Der Korridor bog nach rechts ab.
Genau wie sie gesagt hatte. Doch in meinem Kopf spukte die Vorstellung herum, wie sie mit meinem Klassenkameraden schläft. Behutsam zog
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