Tanz mit dem Schafsmann
eingebüßt. Hierin unterscheidet er sich von einem Charlton Heston oder einem Kirk Douglas. Er betört mit einem blendend weißen Lächeln und pisst nobel. An den Ufern des Nils holt er seine Ukulele hervor und schmettert Rock-A-Hula Baby dazu. Eine wahre Paraderolle für ihn.
Und eines Tages zieht dann der Pharao mit seinem Gefolge an ihm vorüber. Er ist gerade damit beschäftigt, Schilf zu schneiden, als plötzlich eine Barke kentert. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, springt er in die Fluten des Nils, krault auf imposante Weise hinaus und rettet ein kleines Mädchen vor den Krokodilen sicher ans Ufer. Mit kraftvoller Anmut, versteht sich. Genauso anmutig, wie er im Physikunterricht den Bunsenbrenner anzünden würde. Der Pharao, der die Szene beobachtet hat, ist tief beeindruckt und denkt sich: Oh, dieser Junge könnte doch wunderbar meinen Söhnen das Schwimmen beibringen. Der letzte Trainer war nämlich wegen Ungehorsam gerade eine Woche zuvor in einen abgrundtiefen Brunnen geworfen worden. So wird mein Klassenkamerad zum königlichen Schwimmlehrer ernannt. Sein Charme betört alle. Man liegt ihm zu Füßen. Des Nachts schlüpfen die Hofdamen, mit wohlriechenden Essenzen gesalbt, in sein Schlafgemach. Prinzen und Prinzessinnen sind völlig hingerissen von ihm. Höhepunkt ist dann ein kolossales Schauspiel, eine Mixtur aus Badende Venus und Der König und Ich . Zusammen mit den Pharaonenkindern führt er anlässlich der Festlichkeiten zum Geburtstag des Herrschers ein Synchronschwimmspektakel auf. Der Pharao ist begeistert, und der junge Mann steht noch höher bei ihm im Kurs. Doch seine Popularität steigt ihm keinesfalls zu Kopf. Ein Ausbund an Bescheidenheit. Strahlend lächelnd und elegant pissend, wie eh und je. Wenn eine Hofdame zu ihm ins Bett schlüpft, bringt er sie nach einstündigem Vorspiel zum lustvollen Höhepunkt, und danach streicht er ihr sanft über das Haar und sagt: »Es war phantastisch.« Irre sympathisch.
Ich überlegte, wie es wohl sei, mit ägyptischen Hofdamen zu schlafen, aber dafür reichte meine Phantasie nicht aus. Je angestrengter ich es versuchte, desto mehr wurde daraus eine Version der Kleopatra von 20 th Century Fox – jenes Leinwandschinkens mit Liz Taylor, Richard Burton und Rex Harrison. Exotik à la Hollywood: dunkelhäutige, langbeinige Sklavinnen, die mit Palmwedeln ihrer Herrin Luft zufächeln. Hofdamen werfen sich in alle möglichen verführerischen Posen, um meinen Freund zu beglücken. Darauf verstehen sich die ägyptischen Frauen besonders gut.
Die jugendliche Jodie-Kleopatra hingegen liegt ihm willenlos zu Füßen.
Ein bisschen klischeehaft, aber so ist nun mal das Filmgeschäft.
Auch er ist natürlich ganz hingerissen von Jodie-Kleopatra.
Allerdings ist der nicht der Einzige. Es gibt da nämlich noch einen arabischen Mohrenprinzen, der sich nach ihr verzehrt. Seine Verliebtheit geht so weit, dass er, sobald er an sie denkt, zu tanzen beginnt. Eine maßgeschneiderte Rolle für Michael Jackson. Aus Liebe durchquert er die große Wüste Abyssiniens, um nach Ägypten zu gelangen. Wir sehen ihn um das Lagerfeuer der Karawane tanzen und tamburinschüttelnd Billie Jean singen. Seine Augen schimmern im Sternenlicht. Dies führt natürlich zu einer heftigen Konfrontation mit seinem Nebenbuhler, dem Schwimmlehrer.
So weit war ich mit dem Drehbuch gekommen, als der Barkeeper mir zu verstehen gab, leider werde man jetzt schließen. Es war viertel nach zwölf, und ich war der letzte Gast. Der Barkeeper hatte bereits aufgeräumt. Warum habe ich mir nur die ganze Zeit diesen Blödsinn ausgesponnen? Einfach idiotisch. Ich hab’ sie wohl nicht mehr alle. Ich unterschrieb die Rechnung, kippte den Rest Martini hinunter und verließ die Bar in Richtung Fahrstuhl. Die Hände in den Taschen, wartete ich, bis er kam.
Doch die arme Jodie-Kleopatra ist nach höfischer Regel dazu verurteilt, sich mit ihrem jüngeren Bruder zu vermählen. Meine Phantasie spielte verrückt. Das von mir erdachte Traumszenario führte ein Eigenleben. Der Bruder ist eine charakterschwache, gebrochene Kreatur. Wer käme dafür in Frage? Doch nicht etwa Woody Allen? Dann würde es ja zur Komödie verkommen! Wir brauchen keinen Hofnarren, der ständig blöde Späße macht und sich mit einem Plastikhammer auf den Kopf schlägt.
Über den Bruder kann man ja noch später nachdenken. Den Pharao muss jedenfalls Laurence Olivier spielen. Anfällig für Migräne, hält er sich andauernd wehleidig
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