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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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erwiderte sie mit professionellem Lächeln. Vielleicht war sie beleidigt, weil ich mich so schnell aus dem Staub machte. Ganz schön empfindlich.
    »Hör mal, ich komme bald wieder. Dann gehen wir zusammen essen und sprechen in Ruhe miteinander. Ich habe dir nämlich eine Menge zu erzählen. Doch zuerst muss ich in Tokyo allerhand erledigen. Methodisch denken, mit einer optimistischen Einstellung und globaler Perspektive. Das bin ich mir schuldig. Wenn das erledigt ist, komme ich zurück. Es könnte ein paar Monate dauern, aber ich komme ganz bestimmt. Weil … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll … weil dieser Ort eine ganz bestimmte Bedeutung für mich hat. Also, früher oder später bin ich wieder hier.«
    »Mhm«, machte sie ungläubig.
    »Mhm«, entgegnete ich zuversichtlich. »Bestimmt findest du’s lächerlich, was ich gesagt habe.«
    »Nein, ganz und gar nicht«, sagte sie mit ausdrucksloser Miene. »Nur kann ich mir keine Dinge vorstellen, die noch in so weiter Ferne liegen.«
    »So lange wird es nicht dauern. Wir werden uns wiedersehen. Du weißt, zwischen uns gibt es doch etwas Gemeinsames«, sagte ich so aufrichtig, wie ich es meinte. Sie sah jedoch nicht so aus, als nehme sie mir das ab. »Findest du nicht?«
    Anstelle einer Antwort klopfte sie mit ihrem Kugelschreiber nervös auf die Ablage. »Ich nehme an, du nimmst die nächste Maschine?«
    »Ja, das habe ich vor. Vorausgesetzt, sie fliegt. Bei diesem Wetter kann man das nicht wissen.«
    »Also, falls du die nächste Maschine nimmst, hätte ich eine Bitte.«
    »Ja, nur zu.«
    »Ein dreizehnjähriges Mädchen muss allein nach Tokyo zurückfliegen, da ihre Mutter aus beruflichen Gründen dringend woandershin musste. Ihre Tochter ist ganz allein im Hotel zurückgeblieben. Meinst du, du könntest dich um sie kümmern? Zum einen wegen des Gepäcks, und dann mache ich mir auch Sorgen, wenn sie allein ins Flugzeug steigt.«
    »Begreiflich«, sagte ich. »Wie kann denn eine Mutter irgendwo hinfliegen und ihr Kind im Stich lassen? Die muss doch verrückt sein.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ganz meine Meinung. Ich finde auch, dass sie spinnt. Sie ist eine berühmte Fotografin. Etwas exzentrisch. Ihr saust eine Idee durch den Kopf, und schon ist sie weg. Und darüber vergisst sie dann ihr Kind. Typisch Künstler. Sobald ihnen etwas im Kopf herumspukt, haben sie nichts anderes mehr im Sinn. Hinterher fiel ihr dann ihre Tochter ein. Sie rief hier an und sagte, sie habe das Mädchen hier allein zurückgelassen und wir sollten doch bitte dafür sorgen, dass sie mit einem Flugzeug nach Tokyo zurückkommt.«
    »Hätte sie sich nicht selbst darum kümmern können?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie noch eine Woche beruflich in Katmandu zu tun hat. Sie ist nun einmal sehr berühmt und ein angesehener Gast hier im Hotel. Es steht mir nicht zu, über sie herzuziehen. Sie sagt, es reiche, wenn ihre Tochter zum Flughafen gebracht würde, das Übrige schaffe die Kleine dann allein. Ziemlich unbekümmert. So einfach geht das ja nun auch wieder nicht. Wenn der Kleinen unterwegs was passiert, fällt das auf uns zurück. Wir tragen dafür schon die Verantwortung.«
    »Na schön«, sagte ich. Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Sag mal, hat das Mädchen etwa lange Haare und ein Sweatshirt mit dem Schriftzug einer Rockgruppe? Und hört sie ständig Walkman?«
    »Ja, genau. Du kennst sie also schon.«
    »Na dann«, sagte ich.
    Sie rief sofort bei ANA an und buchte einen Platz in derselben Maschine. Dann telefonierte sie mit dem Mädchen und bat sie, ihre Sachen zu packen und gleich herunterzukommen, es habe sich jemand gefunden, der mit ihr zurückfliegen werde. Sie brauche sich keine Sorgen zu machen, derjenige sei vertrauenswürdig. Dann rief sie den Hotelpagen und ließ das Gepäck herunterbringen. Als Nächstes bestellte sie beim Hotelservice eine Limousine. Sie war ganz in ihrem Element. Tüchtig und patent. Sie sei sehr versiert, sagte ich ihr.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass mir die Arbeit hier Spaß macht. Sie liegt mir.«
    »Aber wenn dich jemand dabei neckt, dann schaltest du auf stur«, sagte ich.
    Sie klopfte wieder nervös mit ihrem Kugelschreiber auf die Ablage. »Das ist ja wohl was anderes. Ich mag es eben nicht, wenn man sich über mich lustig macht und mich aufzieht. Das war schon immer so. Ich werde dann furchtbar nervös.«
    »Das wollte ich ganz und gar nicht«, entgegnete ich. »Eher im Gegenteil. Ich wollte damit für Entspannung

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