Tanz mit dem Teufel
Spandau an.
»In was für eine Scheiße hat Jerry sich denn nun wieder reingeritten?«, fragte Vicky.
»Jemand gräbt seine schmutzigen Geheimnisse aus und verbreitet sie in den Medien.«
»Davon hat er wahrlich genug auf Lager. Wird er erpresst?«
»Bis jetzt noch nicht. Es sieht eher so aus, als ob ihn irgendwer fertigmachen will.«
»Geht’s um den Oscar?«
»Ja, so scheint es zumindest. Das Timing spricht auf jeden Fall dafür. Nachdem es nicht um Geld geht, läuft es wohl eher auf einen persönlichen Rachefeldzug oder Ähnliches raus. Ich vermute, das jemand aus seinem näheren Umfeld dafür verantwortlich ist.«
»Und da verdächtigen Sie mich, weil ich das Buch geschrieben habe.«
»Sie haben ein paar unschöne Sachen über ihn gesagt.«
»Wollen Sie die Wahrheit wissen? Wegen diesem verdammten Buch könnte ich mir jetzt noch in den Hintern beißen. Dabei hab ich es noch nicht mal selber geschrieben. Der Verlag hat dafür einen Ghostwriter angeheuert. Ich hab bloß seine Fragen beantwortet und das Honorar eingesackt. Die Tinte auf den Scheidungspapieren war noch nicht trocken, und ich hatte eine Mordswut im Bauch. Ich habe viel gesagt, was ich besser für mich behalten hätte.«
»Zum Beispiel?«
»Das mit dem gebrochenen Kiefer. Klar, er hat mir eine reingehauen. Aber ich hätte ihm um ein Haar mit einem schweren Aschenbecher den Schädel eingeschlagen. Außerdem war der Kiefer noch nicht mal gebrochen. Das hat sich der Ghostwriter aus den Fingern gesogen. Ich wollte nicht, dass das ins Buch kommt, aber nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, haben sie mich mit einem feuchten Händedruck abserviert und einfach reingeschrieben, wozu sie Lust hatten. Das Leben mit Jerry war bestimmt kein Zuckerschlecken, aber ich habe ihn nie gehasst. Und ich will ihm ehrlich nichts anhängen.« Sie grinste. »Schon gar nicht für lau.« Sie trank einen Schluck Bier und wandte sich an ihre Tochter: »Hat Carl gesagt, wann er zurückkommt?«
»Träum weiter«, raunzte das Mädchen.
»Wer könnte es sonst noch auf ihn abgesehen haben?«, fragte Spandau.
»Drei Exfrauen, ein paar hundert Exgeliebte und sämtliche Produzenten, für die er je gearbeitet hat. An Jerry scheiden sich die Geister. Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Der Mann hat zwei Seiten, und früher oder später lernt jeder beide an ihm kennen. Er kann der netteste Mensch der Welt sein und sich in der nächsten Sekunde in die fieseste Ratte verwandeln. Hängt er noch an der Flasche?«
»Ganz trocken scheint er mir nicht zu sein.«
»Ich will Ihnen was verraten. Er ist wie ein Kind. Markiert den harten Hund, ist aber das dünnhäutigste Sensibelchen, das ich kenne. Wissen Sie, wie oft ich ihn weinen gesehen habe? Und zwar über die lächerlichsten Kleinigkeiten. Weil er irgendwas in den falschen Hals gekriegt hat. Aber gleichzeitig den Studiobossen Saures geben. Bei jedem Film hat er sich mit ihnen einen Kampf bis aufs Messer geliefert. So was konnte er locker wegstecken, auch wenn er sich hin und wieder eine blutige Nase geholt hat. Richtig ans Eingemachte ging es bei ihm nur wegen irgendwelchen Kinkerlitzchen, dass jemand seinen Geburtstag vergessen hat, zum Beispiel, dass er zu einem Essen nicht eingeladen wurde oder weil er sich eingebildet hat, jemand wäre sauer auf ihn. Einmal hat er zu mir gesagt, dass ihm nichts auf der Welt Angst machen kann – nur die Menschen, die er liebt. Mit allem anderen würde er fertig.«
Spandau seufzte. Vicky lachte.
»Das Gesicht kenne ich! Was meinen Sie, wie oft ich das schon gesehen habe? Hätte ich dafür jedes Mal zehn Cent bekommen, wäre ich heute eine steinreiche Frau. Herzlich willkommen im Club. Bei Jerry blickt keiner richtig durch; keiner begreift, wie er tickt. Trotzdem muss man ihn mögen. Das verstehe, wer will. Wollen Sie ein Bier?«
»Ach, warum nicht?«
Vicky winkte ihre Tochter in die Küche. Als das Mädchen mit Spandaus Bier zurückkam, sagte es: »Ich finde seine Filme scheiße. Die totale Machokacke, nichts als Blut und Gewalt. Als hätte sich das ein verklemmter Schwuler ausgedacht.«
»Wenn Jerry eins mit Sicherheit nicht ist, dann schwul. Das kann ich bezeugen«, sagte Vicky. »Und wie.«
»Bitte verschon mich. Allein bei dem Gedanken an solchen Mumiensex kommt mir das Essen hoch.«
»Dann lass dir von deiner alten Mutter mal verklickern, dass eine Frau erst mit zweiundvierzig auf dem Höhepunkt ihres Lustempfindens angekommen ist.«
»Aber klar, genau in dem Alter,
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