Tanz mit dem Teufel
du nicht wenigstens so tun, als ob du einen Funken professioneller Objektivität am Leib hast? Sonst muss ich dich von dem Fall wieder abziehen, bevor er richtig Fahrt aufgenommen hat. Verstehen wir uns?«
»Ja, schon gut.«
»Ich mache inzwischen mit Jerry weiter. Wie aktuell sind die Adressen?«
»Ehefrau eins und drei sind in einen anderen Bundesstaat gezogen, die eine nach Louisiana, die andere nach New York. Ehefrau Nummer zwei wohnt zurzeit in San Diego, genauer gesagt, in Escondido. Eine ehemalige Softpornoschauspielerin, die auf Immobilienmaklerin umgesattelt hat. Wie gefällt dir das Foto? Die Möpse sind leider nicht echt.«
»Höre ich da etwa so was wie Neid heraus?«
»Im Leben nicht. Plastiktitten kann sich jede kaufen. Was für eine Frau frau ist, zeigt sich daran, wie weit sie es allein mit den Gaben der Natur bringt.«
26
Wie man am besten von L. A. nach San Diego fährt? Am besten überhaupt nicht. Allein die einfache Fahrt dauert zwei Stunden, und man kann sich leicht ausrechnen, dass man entweder auf dem Hin- oder auf dem Rückweg in einen Stau gerät. Es lässt sich nicht vermeiden. Spandau traf ungefähr um vier Uhr in Escondido ein, also kurz vor dem Losschwappen der Verkehrswelle, die ihn auf der Rückfahrt mit Sicherheit einholen würde. Super.
Wenn Escondido überhaupt einmal in einem Reiseführer erwähnt wird, dann als verschlafener Arbeitervorort. Wobei man statt »verschlafen« lieber »komatös« schreiben sollte. Vicky Rawlins wohnte am Ende einer kurzen Sackgasse, die von gedrungenen Palmen und überdimensionalen Pick-up-Trucks gesäumt wurde. Von ihrem Haus aus genoss man eine unverbaubare Sicht auf die Autobahn. Statt in Südkalifornien hätte man auch im tiefsten Wisconsin sein können. Nachdem die Klingel offenbar nicht funktionierte, probierte Spandau sein Glück mit Klopfen. Ebenso vergeblich. Als er durchs Wohnzimmerfenster spähte, fiel sein Blick auf einen kräftigen Kerl, der einem nicht einmal halb so alten Mädchen an die Wäsche wollte. Obwohl sie anscheinend Übung darin hatte, ihn abzuwehren, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie den Kürzeren zog. Spandau hämmerte an die Scheibe. Der Mann zog die Hand aus ihrer Bluse, ließ sie los und verschwand im hinteren Teil des Hauses. Das Mädchen rückte sich die Kleidung zurecht und kam an die Tür.
Sie war noch jünger, als er gedacht hatte, vierzehn oder fünfzehn. Obwohl schon fast fraulich gebaut, hatte sich ihr Babyspeck noch nicht ganz verwachsen. Ihre Augen waren rot und leicht verquollen, und sie sah aus, als hätte sie geweint, aber ihre träge Stimme und der unverkennbare Marihuanageruch verrieten etwas anderes.
»Sind Sie der Detektiv?« Die eine Hand auf der Klinke, die andere in die Hüfte gestemmt, betrachtete sie ihn von oben bis unten.
»Genau. David Spandau. Mrs. Rawlins erwartet mich.«
»Sie hat angerufen, dass sie ein bisschen später kommt. Ich soll Sie so lange bei Laune halten. Was auch immer das heißen soll.«
»Dann bist du sicher … ihre Tochter, ja?«
»Stimmt.«
Sie bat ihn nicht herein, trat nur einen Schritt zur Seite. Drinnen roch es noch stärker nach Gras. Der Muskelmann tauchte mit einem Joint in der Hand im Flur auf. Er blieb kurz stehen, warf Spandau einen finsteren Blick zu, ging in die Küche und durch die Hintertür weiter in die Garage. Ein schwerer Motor brüllte auf, das Garagentor hob sich. Ein Mustang Cobra schoss rückwärts die Einfahrt hinunter auf die Straße und raste davon. Spandau und das Mädchen sahen ihm nach.
Sie sagte: »So ein Arsch.« Und an Spandau gewandt: »Wollen Sie was trinken? Ein Bier vielleicht?«
»Nein, danke.«
Sie nahm sich selbst eine Dose aus dem Kühlschrank und riss sie auf, schlurfte ins Wohnzimmer, ließ sich in einen Sessel plumpsen und machte es sich im Schneidersitz bequem. Gespielt gelangweilt nuckelte sie an ihrem Bier. Sie starrte Spandau an. Offenbar wartete sie darauf, dass er etwas sagte. Er schwieg.
»Sie können sich setzen, wenn Sie wollen«, knurrte sie schließlich.
Spandau nahm ihr gegenüber auf dem Sofa Platz.
»Ist der Kerl ein Freund von dir?«
»Machen Sie Witze? Ich muss gleich kotzen. Das ist der Macker von meiner Mum. Wieso? Haben Sie ihn wiedererkannt?«
Spandau schüttelte den Kopf. »Müsste ich?«
Sie nahm den Stummel eines Joints aus dem Aschenbecher, zündete ihn an, zog ein paarmal daran, hielt ihn Spandau hin. Der lehnte dankend ab.
»Weil er doch berühmt ist«, quiekte sie mit der
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