Tanz mit dem Teufel
nachhelfen müssten.
Dann haben wir weitergearbeitet. Irgendwann musste Jerry aufs Klo. Ich war so in das Drehbuch vertieft, dass ich überhaupt nicht mitbekommen habe, wie lange er weggeblieben ist. Anschließend haben wir noch den Rest des Nachmittags zusammengehockt. Er hat die ganze Zeit kein Wort mehr über sie verloren.
In den nächsten Wochen war sie wie immer. Sie hat sich im Haus nützlich gemacht, für mich eingekauft, alles erledigt, was anfiel. Und dabei vor sich hin geträllert. Sie war eben ein richtiger Sonnenschein.
Doch dann blieb sie eines Morgens einfach weg. Sie hat noch nicht mal angerufen. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Selber konnte ich sie telefonisch auch nicht erreichen. Zwei, drei, vier Tage. Niemand hatte etwas von ihr gesehen oder gehört. Vielleicht hatte sie Liebeskummer. Vielleicht hatte sie es in Hollywood einfach nicht mehr ausgehalten und ist wieder zurück nach Kentucky. Soll alles schon vorgekommen sein. Diese Stadt macht dich schleichend fertig. Bis du irgendwann in dein Auto springst und losfährst und nicht mehr anhältst. Hört man immer wieder.
Doch dann, eines Abends – ich hatte seit vier, fünf Tagen kein Lebenszeichen von ihr – taucht sie plötzlich hier auf, allein. Ein fürchterlicher Anblick. Sie war verstört, schwer traumatisiert. Und ihr Blick – wie der von einem verängstigten Tier. Ihr Gesicht war tränenverquollen, und die Haare hingen ihr ungewaschen in Strähnen vom Kopf. Sie zitterte am ganzen Körper, war völlig aufgelöst, mit den Nerven so gut wie am Ende, wobei sie sich noch bemüht hat, nicht komplett die Fassung zu verlieren.
Ich bringe sie ins Wohnzimmer, sorge dafür, dass sie sich erst mal hinsetzt – genau in den Sessel, in dem Sie jetzt sitzen. Biete ihr was zu trinken an, eine Valium, egal was, Hauptsache, es hilft. Sie sagt Nein, sie möchte nichts. Sitzt einfach nur da. Ich frage sie, was passiert ist. Sie sagt, es tut ihr leid, sie entschuldigt sich immer wieder, sie hätte nicht herkommen dürfen. Es tue ihr leid, so unendlich leid, dass sie nicht zur Arbeit erschienen ist, dass sie nicht angerufen hat. Ich tröste und beruhige sie, sie solle sich darüber mal keinen Kopf machen. Ihr sei ja offensichtlich etwas Schlimmes zugestoßen, aber bei mir sei sie jetzt sicher. Und vielleicht könne ich ihr ja sogar helfen. Sie müsse mir nur sagen, was passiert sei. Und dann hat sie sich mir anvertraut. Mit vollkommen ruhiger, aber seltsam ausdrucksloser Stimme hat sie mir die Geschichte erzählt, wie eine unbeteiligte Berichterstatterin.
Natürlich hatte Jerry sie sofort angebaggert. Er ist ihr schnurstracks in die Küche nachgestiegen und hat ihr ihre Telefonnummer abgeschwatzt. Davon bräuchte sonst keiner was zu wissen. So ein sympathischer Mann, sagte sie. Und so witzig. Er habe ihr Komplimente gemacht und sie zum Lachen gebracht. Deshalb habe er ihr ja auch gleich so gut gefallen.
Also gehen sie ein paarmal zusammen aus. Natürlich will Jerry sie vernaschen. Aber so was ist sie gewöhnt. Sie kommt nicht umsonst aus Kentucky. Sie weiß, wie man die Kerle auf Abstand hält. Sie mag Jerry, aber sie ist nicht in ihn verliebt. Ja, kaum zu glauben, aber sogar in Kalifornien gibt es noch schöne Frauen, die es nur aus Liebe machen. Sie gehen noch ein paarmal aus, Jerry schraubt noch ein bisschen hartnäckiger an ihr rum, aber als sie Nein sagt, bedrängt er sie nicht weiter.
Eines Abends holt Jerry sie ab. Er will mit ihr nach San Diego, in ein tolles mexikanisches Restaurant. Der beste Mexikaner der Welt, sagt er. Du wirst begeistert sein.
Sie fahren nach San Diego, und es ist tatsächlich ein ausgezeichnetes Restaurant. Jerry ist dort bekannt wie ein bunter Hund, man behandelt ihn wie Gott in Frankreich. Susie ist beeindruckt, sie haben einen sehr schönen Abend. Jerry ist nett, glücklich und zufrieden. Jerry, wie wir ihn kennen. Alles in schönster Ordnung, bis er anfängt zu trinken. Und auch dann kann es passieren, dass er die ganze Nacht einen nach dem anderen kippt, ohne dass irgendwas vorfällt. Er ist und bleibt der große Strahlemann. Ein andermal reichen ein, zwei Drinks, und von einer Sekunde auf die andere ist seine gute Stimmung wie weggeblasen, als ob ihm plötzlich ein Mühlstein um den Hals hängt. Wenn das passiert, weiß keiner, wie es enden wird.
Sie hätten sich prächtig verstanden, sagt Susie, bis sie aus dem Restaurant kamen. Er hatte zwar einiges getrunken, aber er konnte ohne Probleme noch Auto fahren.
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