Tanz mit dem Teufel
Allerdings wurde er sehr schweigsam. Bei Jerry immer ein schlechtes Zeichen. Wenn er die Zähne nicht mehr auseinanderkriegt, heißt es, vorsichtig sein. Unterwegs sagt Jerry, hör mal, ich bin müde, in La Jolla gibt es ein tolles Hotel am Strand, sollen wir da nicht übernachten? Nein, sagt sie, ich muss morgen früh arbeiten. Melde dich krank, sagt Jerry. Ich organisier jemanden, der für dich einspringt. Nein, sagt sie. Ich verwöhne dich wie eine Prinzessin, sagt er. Den Satz hat sie mehrere Male wiederholt: Ich verwöhne dich wie eine Prinzessin.
Nein, danke, ich muss nach Hause. Er fängt an, mit ihr zu streiten. Nein, sagt sie, ich muss nach Hause, bitte bring mich nach Hause. Worauf er wieder eine ganze Weile vor sich hin schweigt, und dann sieht sie auf einmal, dass er weint. Seine Tränen glänzen im Scheinwerferlicht der entgegenkommenden Autos. Was hast du?, fragt sie. Was ist los? Sie hat das Gefühl, etwas falsch gemacht, ihn irgendwie gekränkt zu haben. Lass uns reden, sagt er. Lass uns bitte einfach anhalten und reden, ja?
Jerry fährt von der Straße ab, hinunter an den Strand. Hält an. Sie wartet darauf, dass er etwas sagt, fragt ihn noch einmal, was mit ihm los ist. Ob sie ihm etwas getan hat. Nach einer Ewigkeit sagt er, du bist so schön. Er beugt sich zu ihr, sie schiebt ihn weg. Dann schlägt er sie und beschimpft sie, und da ist es dann passiert.«
Tollund hielt inne. Diesmal war es keine dramatische Kunstpause. Er starrte aus dem Fenster, seine Halsmuskeln zuckten.
»Die Einzelheiten weiß ich nicht«, fuhr er schließlich fort. Er paffte an der Zigarre und zermalmte sie wütend im Aschenbecher. »Aber die Geschichte wird noch besser.« Er stand auf. »Einen Cognac?«
»Gern, danke.«
Tollund ging zur Bar und goss zwei Schwenker Cognac ein. »Normalerweise trinke ich um diese Uhrzeit noch nicht, aber wir wollen mal eine Ausnahme machen.« Er gab Spandau das Glas. »Sie war selbst nicht ganz nüchtern, und Jerry hatte sie schlimm zugerichtet. Plötzlich schien ihm klar zu werden, was er getan hatte, denn er sagte ein paarmal o Gott, ließ sie los und kauerte sich auf seinem Sitz zusammen. Als sie ausgestiegen ist, hat er keine Anstalten gemacht, sie aufzuhalten. Ohne Handtasche, ohne Geld, ohne Handy, unter Schock stehend, schleppt sie sich verstört den Strand hinauf. Oben angekommen, geht sie den Highway entlang. Sie hofft, dass Jerry ihr nicht folgt, dass er sie einfach in Frieden lässt.
Sie weiß nicht, wie weit sie auf der Straße gekommen ist. Die Leute in den Autos glotzen sie an, aber niemand hält. Sie ist sich noch nicht mal sicher, ob sie das überhaupt will. Sie wüsste nicht, was sie ihnen erzählen sollte. Irgendwann bleibt dann doch ein Wagen neben ihr stehen. Drei, vier weiße Jungs in einem Lieferwagen, vielleicht College-Kids. Die wollen sie mitnehmen. Susie steigt ein. Sie ist so fertig, dass sie alles machen würde, was ihr jemand sagt. Wollen Sie wissen, wie es weitergeht?«
»Um Gottes willen«, sagte Spandau.
Tollund leerte sein Glas bis zur Hälfte. Hustete. Räusperte sich.
»Als sie endlich genug von ihr haben, sind sie bereits in Manhattan Beach. Sie lassen sie bei einer Unterführung unter der 405 raus und fahren weiter. Susie geht in ein Seven-Eleven, leiht sich vom Kassierer ein Handy und lässt sich von einer Freundin abholen.
Sie hat der Freundin nicht gesagt, was ihr zugestoßen ist, sie hat es keiner Menschenseele erzählt. Sie wollte es nur noch vergessen. Doch sie schaffte es nicht, die Erinnerung kam immer wieder hoch. Drei Tage hat sie ihre Wohnung nicht verlassen, sie konnte sich nicht überwinden, vor die Tür zu gehen, Menschen zu sehen. Ich habe ihr vorgeschlagen, sie zu einem Arzt zu bringen, die Polizei zu verständigen. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte nur noch weg, weg aus Hollywood, für immer. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr helfen würde. Klar, habe ich gesagt und ihr angeboten, ihre Eltern anzurufen, ihr ein Flugticket zu besorgen oder von mir aus auch einen Seelenklempner. Das wollte sie auch nicht. Sie müsse nur weg, raus aus Hollywood. Ob ich ihr ein bisschen Geld leihen könne. Hab ich natürlich gemacht. Ich hab ihr alles an Bargeld gegeben, was ich im Haus hatte, ein paar Hunderter, und ihr auch noch einen Scheck über zehn Riesen ausgestellt. Ich hab ihr geraten, nichts zu überstürzen, sich erst mal wieder zu fangen. Sie hätte doch gar keinen Plan, wie es weitergehen soll. Nein, hat sie gesagt, sie könne keine
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