Tanz mit dem Tod (19) - Robb, J: Tanz mit dem Tod (19) - Visions in Death (19)
Luft, und so legte sie unglücklich den Kopf auf ihren angezogenen Knien ab. »Verdammt. Das war total unangemessen. Tut mir leid.«
»Falls Sie denken, dass ich Mitleid mit ihm habe oder eine Entschuldigung für seine Taten suche, irren Sie sich.«
»Das denke ich ganz sicher nicht. Der Wutanfall war eher die Folge einer persönlichen Neurose.« Es würde hart und bitter. Doch es war allerhöchste Zeit.
Langsam hob Eve den Kopf. »Ich erwarte, dass ich mich in jeder Situation hundertprozentig auf Sie verlasen kann. Ich erwarte, dass Sie mir immer treu zur Seite stehen, mit mir durch das Blut von irgendwelchen Leichen waten, sich mit demselben Scheiß abgeben, mit dem ich
mich abgeben muss, und Ihre persönliche Sicherheit und Ihre Bequemlichkeit hintanstellen, wenn es um Ihre Arbeit geht. Und ich weiß, dass Sie das tun, und zwar nicht nur, weil Sie einen starken Charakter haben, sondern, bei Gott, weil Sie von mir ausgebildet worden sind.«
Peabody sah sie schweigend an.
»Es war etwas anderes, als Sie noch meine Assistentin waren. Aber als meine Partnerin haben Sie das Recht, alles über mich zu wissen, was von Bedeutung ist.«
»Sie wurden selbst mal vergewaltigt.«
Eve riss die Augen auf. »Woher zum Teufel haben Sie das?«
»Beobachtung und logisches Denken. Ich glaube nicht, dass ich mich irre, aber Sie müssen nicht darüber reden, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Sie irren sich nicht. Ich weiß nicht, wann es angefangen hat. Ich kann mich nicht an alle Einzelheiten erinnern.«
»Sie wurden regelmäßig missbraucht?«
»Missbrauch ist ein viel zu sauberer Begriff. Vor allem ist er dehnbar, und sie - das heißt, die Leute - decken damit viele verschiedene Dinge ab. Mein Vater hat mich geschlagen, mit seinen Fäusten und mit allem, was ihm gerade in die Hände fiel. Er hat mich unzählige Male vergewaltigt. Aber bereits eine Vergewaltigung hätte genügt, weshalb also hätte ich mir die Mühe machen sollen, sie zu zählen?«
»Und Ihre Mutter?«
»Die war damals schon nicht mehr da. Sie war eine drogensüchtige Hure. Ich kann mich nicht wirklich an sie erinnern, aber den paar Bildern nach zu urteilen, die mir im Verlauf der Jahre wieder eingefallen sind, war sie auch nicht besser als er.«
»Ich möchte … ich würde gerne sagen, wie leid mir
all das tut, aber auch mit diesem Satz decken die Leute ebenfalls zu viele verschiedene Dinge ab. Dallas, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Ich erzähle Ihnen diese Dinge nicht, damit Sie Mitleid mit mir haben.«
»Das würde auch nicht zu Ihnen passen.«
»Eines Abends, ich war damals acht - sie haben gesagt, ich wäre acht gewesen -, war ich in unserem Zimmer in der Absteige eingesperrt, in der er zu der Zeit mit mir wohnte. Ich war lange allein und versuchte etwas zu essen zu stibitzen. Etwas Käse. Ich war halb verhungert. Mir war entsetzlich kalt, ich hatte solchen Hunger und ich dachte, ich könnte es vielleicht schaffen, bis er wiederkommt. Aber dann kam er zurück und war nicht betrunken genug. Manchmal war er so betrunken, dass er mich in Ruhe ließ. Aber das war er an dem Abend nicht, und deshalb ging er wieder einmal auf mich los.«
Sie musste eine Pause machen und sich sammeln, bevor sie weitersprach. »Er hat mich geschlagen, bis ich halb bewusstlos war. Alles, was ich tun konnte, war beten, dass er es dabei bewenden lassen würde. Dass er mich nur schlagen würde. Aber ich konnte sehen, dass es dabei nicht bleiben würde. Fangen Sie bloß nicht an zu weinen. Das halte ich nicht aus.«
»Ich kann nichts dagegen tun.« Sie fuhr sich mit einer der klebrigen Papierservietten durchs Gesicht.
»Er hat sich auf mich geworfen. Musste mir eine Lektion erteilen. Es hat entsetzlich wehgetan. Nach jedem Mal vergisst man, wie furchtbar weh es tut. Aber dann passiert es wieder, und es ist so schlimm, dass man es sich nicht vorstellen kann. Es ist mehr, als man erträgt. Ich habe versucht ihn aufzuhalten. Es war immer noch schlimmer, wenn ich versucht habe ihn aufzuhalten, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich habe es nicht ausgehalten
und mich gegen ihn gewehrt. Worauf er mir den Arm gebrochen hat.«
»Oh Gott, grundgütiger Jesus.« Jetzt presste Peabody den Kopf auf ihre Knie und brach in lautloses Schluchzen aus.
»Knack!« Eve blickte auf den See, auf die ruhige Wasseroberfläche und die hübschen Boote, die in der sanften Brise schwankten. »Es hat laut geknackt, als der Knochen brach. Ich bin vor Schmerzen wahnsinnig geworden. Plötzlich
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