Tanz mit dem Tod (19) - Robb, J: Tanz mit dem Tod (19) - Visions in Death (19)
Ampel grün wurde, zusammen mit der Horde anderer Passanten los. »Ich kann nur hoffen, dass er seine Klamotten wirklich in der City kauft. Wenn wir auch noch in den Vororten
und vielleicht sogar in den Nachbarstaaten nach ihm suchen müssen, dauert das Tage oder Wochen. Aber die Zeit haben wir ganz einfach nicht.«
»Ich habe schon gehört, dass er das Tempo angezogen hat. Wir bleiben also weiterhin am Ball. Falls du beim Abklappern der Läden Hilfe brauchst, gib mir einfach Bescheid.«
»Danke. Das mache ich.«
Sie besuchten noch zwei Läden, bevor Eve Erbarmen mit Peabody zeigte und ein paar Soja-Hot-Dogs an einem Schwebegrill erstand.
Es war ein guter Tag, um an der frischen Luft zu essen, denn es war herrlich sonnig und für einen Herbsttag ungewöhnlich warm.
Also setzten sie sich in den Central Park und betrachteten die Burg.
Dort hatte es nicht angefangen, doch dort hatte er sie auf sich aufmerksam gemacht.
Ein großer Mann. Der Herrscher über eine Burg. Oder war das vielleicht etwas zu weit hergeholt?
Das zweite Opfer hatte er auf einer Bank in der Nähe einer Gedenkstätte für Helden abgelegt. Einer Gedenkstätte für Männer, die getan hatten, was getan werden musste. Einer Gedenkstätte für echte Kerle. Männer, deren man gedachte, weil sie ihre Leben während traumatischer Stunden und Tage geopfert hatten, von denen das ganze Land erschüttert worden war.
Er liebte Symbole. Herrscher über eine Burg. Stärke in der Not.
Das dritte Opfer hatte er in einem Garten zu Füßen einer Statue von einem Bauern abgelegt.
Salz der Erde? Salz zur Reinigung oder als Würze. Was totaler Schwachsinn war.
Bauern ließen etwas wachsen. Sie vergossen ihren Schweiß, benutzten ihre Hände und ihre Muskelkraft, um etwas zum Leben zu erwecken. Oder damit etwas starb.
Sie stieß einen Seufzer aus. Vielleicht hatte es eher etwas mit dem handwerklichen Aspekt zu tun. Mit Autarkie. Damit, dass man sich am besten immer auf sich selbst verließ.
Parks schienen ihm etwas zu bedeuten. Die Parks selbst. Etwas war in einem Park geschehen, etwas, für das er sich mit jedem seiner Morde rächte.
»Vielleicht sollten wir weiter zurückgehen«, murmelte sie. »Gucken, ob es in einem der Parks der Stadt einen sexuellen Übergriff auf einen Mann gegeben hat. Oder auf ein Kind. Jetzt ist er groß, jetzt kann ihm niemand mehr was tun. Aber damals war er ein Kind, hilflos, wie eine Frau. Wie soll sich ein Kind wehren? Also musst du dafür sorgen, dass du groß und stark wirst, damit so etwas nicht noch mal passieren kann. Lieber bist du tot, als dass du so etwas noch mal geschehen lässt.«
Peabody antwortete nicht sofort. Sie war sich nicht ganz sicher, ob Eve mit ihr gesprochen hatte oder mit sich selbst. »Vielleicht war es auch keine Vergewaltigung, vielleicht wurde er geschlagen oder auf irgendeine Art erniedrigt. Vielleicht hat die weibliche Autoritätsfigur in seinem Leben ihn gedemütigt oder ihm wehgetan.«
»Ja.« Eve rieb sich den schmerzenden Kopf. »Wahrscheinlich die Frau, die er jetzt symbolisch tötet. Falls sie seine Mutter oder Schwester war, wurde die Sache sicher nicht gemeldet. Trotzdem gehen wir ihr nach.«
»Falls er von einer Frau, die die Kontrolle über ihn gehabt hat, körperlich oder sexuell misshandelt worden ist, hat er diesen Schaden offenbar bereits seit seiner Kindheit, und nun, da er erwachsen ist, hat irgendetwas oder irgendwer den Rachemechanismus bei ihm ausgelöst.«
»Glauben Sie, wenn man als Kind misshandelt wird, ist das eine Entschuldigung dafür, dass man als Erwachsener Morde an Unschuldigen begeht?«
Eves Stimme hatte einen derart barschen Klang, dass Peabody sorgfältig überlegte, ehe sie erklärte: »Nein, ich glaube nur, dass es ein Grund sein könnte und ein mögliches Motiv.«
»Dass es einem selbst mal schlecht gegangen ist, ist bestimmt kein Grund, um unschuldige Menschen zu ermorden und in ihrem Blut zu baden. Vollkommen egal, wer einen wann wie misshandelt hat. Verteidiger und Psychologen lügen, wenn sie sagen, dass die jämmerliche Kindheit eines Menschen der Grund für ein von ihm begangenes Verbrechen ist. Das ist einfach nicht wahr. Man muss dieses Grauen überwinden, und wenn man das nicht kann, ist man auch nicht besser als die Menschen, von denen man misshandelt worden ist. Dann ist man vielleicht sogar noch schlimmer. Sie können sich also diesen Schwachsinn vom Täter als Opfer in die Haare schmieren und -«
Vor lauter Zorn bekam sie kaum noch
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