Tanz mit mir - Roman
seit Jahren auf den Ruhestand gefreut. Und obwohl sie kein Vermögen besaßen, hatten sie genug, »um gut über die Runden zu kommen«, wie Frank zu sagen pflegte. Der Ruhestand sollte die Zeit in ihrem Leben sein, in der sie sich entspannen und es sich gut gehen lassen wollten. Spaß haben wollten. Es sollte keine Zeit werden, in der sie knausern mussten und sich die Haare raufen würden, wie sie die nächste Rate zahlen sollten. Früher hatten sie nach langen Arbeitstagen gemütlich vor dem Fernseher gesessen und Witze darüber gemacht, dass sich die harte Arbeit nach ihrer Pensionierung einmal auszahlen würde. Der Gedanke daran versetzte Bridget einen Stich. »Ich kann es kaum abwarten, gemeinsam mit dir einfach nichts zu tun, Mrs. Armstrong«, hatte Frank damals liebevoll gesagt. »Wir werden genügend Geld für Vollkornkekse mit Schokoladenüberzug haben, stimmt’s?«
Nach den langen Jahren der Strapazen und der Belastung hatte sich Franks Bluthochdruck gerade erst wieder normalisiert. Wenn er jetzt jedoch erfuhr, dass sie länger arbeiten müsste, um die Kreditschulden abzuzahlen …
Plötzlich hatte sie das Bild vor Augen, wie Frank und sie beim letzten Tanzabend auf der überfüllten Tanzfläche miteinander geschmust hatten. Sie hatten sich trotz des Größenunterschiedes eng umschlungen gehalten und sich mit der
Erfahrung von Tausenden von Songs und Hunderten von Nächten bewegt, die sie schon durchgetanzt hatten. Frank hatte sich zu ihr heruntergebeugt und ihr etwas ins Ohr geflüstert. »Ich glaube nicht, dass ich seit unserer ersten Begegnung jemals noch einmal so glücklich gewesen bin!«, hatte er ihr mit diesem zärtlichen Lächeln gestanden, dass er nur ihr allein schenkte, seitdem sie siebzehn Jahre alt war.
Nein, dachte Bridget und gab sich Mühe, die Ruhe zu bewahren. Ich muss einen Weg finden, wie ich das Problem lösen kann. Frank muss davon nichts erfahren. Auch Lauren durfte nichts davon wissen; wenn ihr besonderer Tag so viel kosten sollte, war sie die Letzte, die ihr diese Freude durch Geldsorgen verderben würde.
Ihr »besonderer Tag«, dachte Bridget. Jetzt haben sie dich endlich.
Sie nahm ein Blatt Papier zur Hand, auf dessen rechter Seite fein säuberlich Zahlen untereinander notiert waren. Bisher hatte sie fast vierhundert Pfund zusammenbekommen, indem sie überflüssige Gegenstände bei eBay verkauft hatte. Zwei oder drei Teile, die das meiste Geld einbringen würden, hatte sie dabei noch gar nicht angeboten, da diese den größten ideellen Wert hatten – ein Bettelarmband sowie ein Gemälde, das ihre Mutter ihr geschenkt hatte. Frank war zwar nicht aufgefallen, dass ein paar Porzellanfiguren von der Anrichte verschwunden waren, aber er würde sehr wohl merken, wenn sie plötzlich ihren Ewigkeitsring nicht mehr trüge.
Der Brief des neuesten Kreditkartenanbieters lag verschlossen in dem Hefter. Bridget zwang sich, ihn zu öffnen – und musste nach Luft schnappen. In dem Umschlag befand sich ein Bescheid über die Höhe der Zinsen, wenn die Dauer der Null-Prozent-Finanzierung abgelaufen sein würde und sie den Betrag bis dahin nicht beglichen hätte. Als Bridget noch überzeugt gewesen war, das Geld rechtzeitig überweisen zu können, war ihr die Summe schon unverschämt hoch
vorgekommen – nun jedoch wirkte die Summe einfach nur noch furchteinflößend.
Aus Angst zerknüllte sie den Brief, bevor sie ihn mit zitternden Händen wieder glättete.
Bridget saß auf dem Bett inmitten von Laurens Sachen. Eine Schachtel mit Brautschuhen, Einladungskarten sowie stapelweise Brautmagazine voller kostspieliger Ideen für wei ße Dinge waren um sie herum aufgetürmt. Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Bridget tatsächlich Angst.
Als Lauren vor dem Haus ihrer Eltern parkte, brannte drinnen noch Licht, doch sie blieb noch einige Minuten im Auto sitzen, um sich wieder zu beruhigen. Sie atmete zwei oder drei Mal tief durch die Nase ein und überlegte sich, was und wie viel sie ihrer Mutter sagen sollte, um ihrem Ärger Luft zu machen, aber ohne ihr einen Schrecken einzujagen, dass die Hochzeit womöglich nicht stattfinden würde.
Aber verdammt noch mal, wenn dieses »Zwing mich nicht, mich zwischen meinen Kumpeln und dir entscheiden zu müssen!«-Gerede weiterging, würde die Hochzeit tatsächlich nicht stattfinden. Wer hatte denn gesagt, dass man sich entscheiden müsste? In Laurens Ohren klang diese Aussage, als hätte sie jemand anderer Chris eingeredet. Ein gewisser Jemand,
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