Tanz mit mir - Roman
der ein großes Interesse daran hatte, dass Chris für weitere Streifzüge durch Pubs zu haben war.
Lauren fuhr sich mit der Hand durchs Haar und glättete ihren Pony, wie sie es schon von klein auf getan hatte. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zu diesem Neubaugebiet gebraust und hätte den Arbeitern befohlen, mit ihrem Haus voranzukommen. Denn je schneller Chris von Kian Matthews ferngehalten wurde, desto besser.
Sie versuchte, die Stimme in ihrem Hinterkopf zu ignorieren, die sie beharrlich daran erinnerte, dass Kian Chris nicht gerade an die Barhocker hatte fesseln müssen, und dass Chris
alt genug war, um abzulehnen, wenn er es wirklich gewollt hätte.
Es hatte wieder angefangen zu nieseln, und Lauren hüpfte ungeduldig von einem Bein aufs andere, als sie die Haustür aufschloss. Drinnen stieß sie auf ihren Daddy, der im Sessel vor dem Fernseher eingeschlafen war. Ein Buch über Turniertanz lag aufgeschlagen auf seiner Brust und bewegte sich mit jedem Atemzug. Wie alt er aussah, dachte Lauren überrascht. Die Tränensäcke unter seinen Augen schienen noch dicker geworden zu sein, die Haut schlaffer. Wenn er jedoch wach war und wie gewohnt seine Scherze machte, sah er immer noch aus wie früher, als sie noch klein war.
Andererseits waren ihre Eltern alt – immerhin waren sie über sechzig. Ihre Mutter verstaute Kreditkartenabrechnungen hinter dem Kaffeepulver, und ihr Dad wünschte sich tatsächlich Pantoffeln zu Weihnachten. Würde Chris in vierzig Jahren genauso aussehen und mit ihr vor dem Kamin schnarchen?
Lauren konnte es sich kaum vorstellen.
Sie kochte Tee für sich und ihre Mutter und stieg dann die Treppe hinauf, weil sie annahm, dass Bridget an ihrem Computer saß und noch mehr Krimskrams bei eBay zu verkaufen versuchte. Schön für Mum, dachte Lauren und passte auf, nicht auf Mittens zu treten, der es sich unter dem Heizkörper am Treppenabsatz gemütlich gemacht hatte. Ihre Fortschritte waren zwar nicht riesig, aber immerhin machte sie sich mit dem Internet vertraut.
In ihrem Zimmer war alles dunkel, doch ein dünner Lichtstreifen leuchtete unter der Tür des Gästezimmers hervor, das ihre Mutter als Arbeitszimmer nutzte.
»Mum?«
Als Lauren eintrat, wurde sie von einem Chaos empfangen, das viel größer war als das Durcheinander, das entstand, wenn ihre Mutter einmal im Monat alle Quittungen und Bons abrechnete.
»Was machst du?« Im Nu hatte Lauren das Zimmer durchquert und stellte die zwei Teetassen zwischen den Papierstapeln auf dem Schreibtisch ab. Hastig räumte Bridget die Unterlagen fort, doch Lauren hatte längst schon gesehen, dass es bei den Rechnungen um rote Zahlen ging. Sehr rote Zahlen. Als Lauren ihre Mutter eingehender betrachtete, fiel ihr auf, dass auch ihre Augen rot waren, als hätte sie geweint.
»Mum?«, fragte sie und merkte, wie ihr plötzlich das Herz bis zum Hals klopfte.
Bridget wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte, ganz normal dreinzuschauen. Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln, das aber Lauren nicht überzeugen konnte.
»Mir geht’s gut, Liebes! Ich dachte, du wolltest heute bei Chris übernachten?«
»Ich bin früher nach Hause gefahren … Du meine Güte, Mum, ist alles in Ordnung mit dir?«, rief Lauren, ließ sich auf die Knie fallen und schlang die Arme um ihre Mutter. »Hast du etwa geweint?«
Zu ihrem großen Entsetzen bemerkte sie, wie die Schultern ihrer Mutter zu beben begannen. Lauren bekam es mit der Angst zu tun. Alles an diesem Abend lief falsch: Ihre Mutter sollte sie trösten nach dem verpatzten Abend mit Chris, und nicht anders herum. Und wenn ihre tüchtige, fähige, vernünftige Mum weinte, dann musste etwas wirklich Schlimmes passiert sein.
Tausend Dinge gingen ihr durch den Kopf. Warum hatte sie bloß geweint? War Dad krank? Obwohl er unten eigentlich recht gesund ausgesehen hatte. War etwa Billy schwer erkrankt? Oder ging es ihrer Oma im Altenheim schlecht?
Lauren fragte sich, ob es vielleicht etwas mit diesen Rechnungen zu tun haben konnte. Aber ihre Mum hatte doch die Finanzen eigentlich immer gut im Griff. Vielleicht gehörten die Rechnungen ihrer Großmutter. Das musste es sein, dachte
sie, als sie sich wie gewohnt alles mit ihrer regen Phantasie in den buntesten Farben ausmalte. Womöglich hatte jemand ihre Kreditkarte geklaut und war mit dieser dann einkaufen gegangen – und nun musste sich Mum um das Problem kümmern.
Lauren redete beruhigend auf sie ein und streichelte ihrer
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