Tanz mit mir - Roman
Peggy in ihren Mantel half. Dann drehte sie sich um und ging zu einem Stuhl, wo sie Tasche und Jacke ablegte.
Katie beobachtete Angelicas Gang und war fasziniert von ihrer Anmut. Jeder Schritt glich einem Tänzeln, dachte sie und bewunderte Angelicas geschwungene Waden. Alles an ihr war perfekt, und sie gehörte definitiv zu der Sorte Frauen, denen man ihre Weiblichkeit schon aus der Ferne ansehen konnte.
»Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel«, erklärte Angelica und kehrte mit einer großen Papiertüte in der Hand wieder zurück. »Aber ich habe Ross und Sie beim Tanzen beobachtet. Ich habe hier etwas, was ich Ihnen gerne geben würde.« Sie überreichte Katie die Tüte. »Ich miste gerade ein wenig aus«, fügte sie erklärend hinzu. »Alles muss raus.«
Die Tüte stammte von Fenwicks aus London und war weitaus schwerer, als Katie erwartet hätte.
Vorsichtig warf sie einen Blick hinein. Darin entdeckte sie einen dunklen Stoff, der mit einem erdbeerroten Futter gesäumt und über und über mit funkelnden schwarzen Pailletten besetzt war.
»Angelica, es ist …«
»Ich denke, wir sind bis auf ein oder zwei Zentimeter etwa gleich groß. Es ist eines meiner alten Turnierkleider – vielleicht ist es zum Üben ein wenig zu kunstvoll, aber Sie werden niemals verstehen, was Tanzen bedeutet, wenn Sie nicht wenigstens ein bisschen die Femme fatale unter diesen langweiligen Bürokostümen hervorscheinen lassen. Da ich Sie nicht dazu zwingen kann, in ein Geschäft zu gehen und ein Kleid zu kaufen, das Ihre Beine zur Geltung bringt, dachte ich, dass dieses Kleid hier Ihnen vielleicht dabei helfen könnte, Ihre innere Drama-Queen zu finden.«
Wohl eher die innere Dragqueen , dachte Katie insgeheim.
Angelica hielt inne, als Katie nicht antwortete, und fuhr in einem milderen Ton fort. »Sie dürfen mich nicht falsch verstehen. Sie müssen die Drama-Queen nur auf der Tanzfläche herauslassen, wenn Sie möchten. Am Ende des Abends können Sie sie dann ja wieder einpacken. Aber vielleicht würde Ross ein wenig weiblicher Zauber gefallen, wenn Sie miteinander tanzen? Männer sind nicht so subtil und feinsinnig wie wir. Gelegentlich mögen sie es auch einmal ein wenig deutlicher. Geben Sie ihm das Gefühl, mit seiner hübschen Ehefrau zu tanzen und nicht etwa mit der Filialleiterin seiner Bank.«
Katie schwieg. Stattdessen hielt sie das Kleid an den mit Pailletten besetzten Trägern fest und zog es aus der Tüte, sodass der Zipfelsaum bis zum Boden reichte.
Angelica hatte recht; durch den schrägen Schnitt sah das Kleid aus, als würde es perfekt über ihre Kurven passen, obwohl es von Hand gefertigt zu sein schien und kein Größenetikett besaß. Es war viel zu theatralisch, um es auf der Straße tragen zu können, doch Katie konnte sich gut vorstellen, welche Wirkung es etwa beim Tanzabend unter dem Spiegelball entfalten könnte. Es war ein Kleid, das mit einem tanzte und alle dazu brachte, sich nach der Tänzerin und dem Tänzer umzudrehen, der seine Partnerin stolz über das Parkett führte.
»Es ist wunderschön, Angelica. Aber das bin nicht ich«, versuchte sie mit zitternder Stimme zu erklären. Sie war den Tränen nahe.
»Stimmt, es ist ziemlich schön«, pflichtete ihr Angelica nach einer kurzen Pause bei. »Aber nicht so schön, dass Sie deswegen weinen müssen.«
Katie ließ das Kleid in ihren Schoß sinken und blinzelte.
Komm schon, Katie, ermahnte sie sich. Du darfst Angelica nicht zeigen, wie aufgewühlt du bist!
Doch plötzlich kam alles hoch, all der Schmerz und die
Verzweiflung, die sie in der letzten Woche erfahren und hinuntergeschluckt hatte, damit die Kinder und das Büroteam nichts merkten. Sie hatte niemanden mehr, mit dem sie reden konnte – keinen Ross mehr, keine Jo, niemanden.
»Es ist zu spät. Zu spät, um meine innere Tänzerin zu finden, falls es sie denn überhaupt gibt. Ross und ich werden nicht mehr kommen.« Sie schluckte schwer und hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. »Er ist … Wir sind nicht mehr …«
»Sie wollen die Tanzvorführung nicht abwarten?« Angelicas schmale Augenbrauen schossen in die Höhe. »Aber Sie sind doch meine besten Schüler!«
Katie verzog das Gesicht. Diese Vorstellung war so abwegig, dass sie am liebsten laut gelacht hätte. Dennoch bedauerte es ein Teil von ihr sehr, dass sie diesen ruhmreichen Augenblick des Kurses verpassen würde. Ein größerer Teil jedoch erkannte mit einem Mal, wie viel Zeit ihres Lebens sie genau damit
Weitere Kostenlose Bücher