Tanz mit mir - Roman
neue Anhänglichkeit zur Gewohnheit wurde. Fast schon mit übertriebener Fairness erinnerte er Hannah gewissenhaft daran, wie schön es doch war, dass sie donnerstagabends nun Mummy ganz für sich allein hatte. Katie versuchte daraufhin noch stärker, Ross zu zeigen, wie sehr sie schätzte, was er tat, doch obwohl er sich genauso freundlich verhielt wie immer, blieb die kühle Distanz zwischen ihnen.
Jo kam wieder zum Tanzkurs. Katie verspürte plötzlich ein neues Mitgefühl für Chloe und Trina, da nun auch sie und Jo keine männlichen Tanzpartner mehr hatten. Frank und Baxter erfreuten sich größerer Beliebtheit denn je. Bisweilen war es jedoch auch ganz lustig, sich wie zwei alte Tänzerinnen zu fühlen. Sie mussten immer wieder darüber lachen, wenn ihnen ihr Busen im Weg war oder Katie selbst dann immer
noch zu führen versuchte, wenn Jo schon längst an der Reihe war.
Als sie am Ende der Tanzstunde gehen wollten, fing Angelica Katie ab.
»Sie und Ross werden bei der Tanzvorführung auftreten?«, fragte sie, obwohl es eher nach einer Feststellung klang als nach einer Frage.
»Ich glaube nicht.« Katie schüttelte den Kopf. »Es ist zwar alles okay, aber …« Sie zuckte mit den Schultern. »Könnte ich nicht etwas mit Jo tanzen? Vielleicht einen Jive?«
Entschlossenheit machte sich in Angelicas Miene breit. »Katie, Sie kommen doch morgen zu unserer Verabredung in der Mittagspause, nicht wahr?«
»Ja, aber …« Katie wollte gerade erklären, dass sie den Sinn und Zweck des Ganzen nicht verstand, doch der grimmige, leidenschaftliche Ausdruck in Angelicas Blick ließ sie verstummen. »Ja«, nickte sie stattdessen. »Ja, ich komme.«
»Sehr gut. Ich zähle bei der Vorführung auf Ross und Sie«, antwortete Angelica und rauschte zu Lauren weiter, um ihr mitzuteilen, dass sie trotz allem ihren großen Walzerauftritt haben würde.
»Das habe ich gehört!« Jo spielte die Beleidigte. »Ich kann gar nicht glauben, dass du mich für Ross stehen lassen willst.«
»Wenn nur wir vier Frauen mangels eines Tanzpartners übrig bleiben, könnte Angelica vielleicht einen Cancan mit uns einstudieren?«, schlug Katie vor.
» Moulin Rouge !«, rief Jo begeistert. »Mit Trina und Chloe!«
»Das ist ein Cha-Cha-Cha«, erwiderte Katie nüchtern und freute sich, als sich Jo vor Lachen schüttelte.
Katie war froh, Jo so lachen zu sehen, da ihr gerade Gregs Anwälte das Leben schwer machten. Ihre Vermutung, dass er eine heimliche Freundin haben könnte, hatte sich nicht nur bestätigt; zudem stellte sich heraus, dass sie eine jüngere Angestellte
in seiner Firma und obendrein auch noch von ihm schwanger war. Greg wollte eine schnelle Scheidung, dabei jedoch Jo so wenig wie möglich überlassen.
Sobald sie im Auto saßen, platzte Jo mit den Details heraus. Heiße Tränen liefen ihr über das Gesicht.
»Er versieht sogar alles mit einem Preis, was ich in unsere Ehe eingebracht habe«, schluchzte Jo. »Ich kann es nicht fassen, dass er mich genauso taxiert und bewertet wie das Haus!«
Während der nächsten Wochen änderte sich kaum etwas. Katie tröstete Jo, so gut sie konnte. Jo wischte sich dann mit einem feuchten Babytuch über das Gesicht und ging zu Molly hinüber, um ihr zu zeigen, wie man Rumba oder Cha-Cha-Cha tanzte, je nachdem, was sie bei Angelica gerade durchnahmen. Molly und Hannah hatten ihre Ponywünsche begraben und bettelten stattdessen darum, Ballettunterricht zu bekommen. Aber nur bei Angelica.
Angelica wiederum wollte es sich »durch den Kopf gehen lassen«.
Ein paar Wochen später machte sich Katie in ihrer Mittagspause wieder mal auf den Weg zur Memorial Hall, um dort mit Angelica Tango zu üben. Angelica musste schon im Saal sein, da ihr laute Tangomusik entgegenschallte, als sie die Eingangstür öffnete. Packende Akkordeonklänge legten sich über den Staccatorhythmus des Tangos. Katie hielt einen Augenblick inne. Die hin- und herwogenden Klänge waren so eindringlich, dass ihr die Haare im Nacken zu Berge standen. Es war keine Musik, zu der man mit dem Fuß wippen konnte wie bei den schönen leichten Walzern. Diese Musik forderte es geradezu heraus, Posen einzunehmen und Rollen auszuleben.
Allmählich begriff sie, warum Angelica der Meinung war, dass der Tanz sehr gut für jemanden geeignet war, der aus
dem geregelten Alltagsleben ausbrechen wollte. Eine Musik wie diese hier forderte weitaus mehr als nur eine Reihe erlernter Schrittfolgen.
Während sie ihren Mantel an einen Haken hängte,
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