Tanz mit mir - Roman
ihn nicht immer anflehen, nach Hause zu kommen. Es ist eine ziemlich seltsame Balance. Au ßerdem bezahlt er eine Putzfrau, die das Haus in Ordnung hält, sodass ich mich voll und ganz um die Kinder kümmern kann, und er macht mir keine Vorwürfe mehr wegen der Unordnung. Oder der Größe meines Hinterns. Ich muss mir keine Gedanken mehr darüber machen, wo er ist, da er einfach nicht mehr hier ist. Es gibt also ein paar Dinge weniger, derentwegen ich mir Sorgen machen muss.«
Einen kurzen Augenblick lang verlor Jo die Fassung. Der Moment reichte jedoch Katie, um zu sehen, wie angespannt sie war. Katie wurde von Mitgefühl überwältigt. Wenigstens war Jo wütend und gab sich nicht die Schuld für alles, was geschehen war. Aber war es wirklich so gut für die Kinder, wenn ihre Mutter innerlich vor Wut kochte?
»Jo, wenn du eine Auszeit brauchst, kann ich dir die Kinder jederzeit gern abnehmen«, schlug sie vorsichtig vor. »Ich will damit nicht sagen, dass du nicht allein klarkommst, aber wenn du mal richtig Dampf ablassen willst …«
Jo verstand Katies Sorge und streichelte ihr über den Arm. »Versteh mich bitte nicht falsch – ich bin nicht die ganze Zeit wütend. Manchmal habe ich einfach nur Angst, und das sind genau die Momente, in denen ich zusammenbreche. Aber ich sage mir immer wieder, dass es besser ist, wie es nun einmal ist, denn wenn ich ihm immer und immer wieder verzeihen würde, würden sich meine schönen, klugen Töchter zu Frauen entwickeln, die immer Angst haben und der Überzeugung sind, dass ein Mann sie nur lieben kann, wenn sie dünn sind und er fremdgehen darf.«
»Da hast du in der Tat recht«, erklärte Katie. »Falls du jemanden brauchst, der dich ab und zu noch einmal daran erinnert, dann ruf mich an. Jederzeit. Rund um die Uhr.«
»Das werde ich«, antwortete Jo mit einem schwachen Lächeln. »Ich habe mir einen Anwalt genommen, und meine Mutter ruft mich andauernd an. Die beiden werden es mir auch immer wieder sagen. Aber ich bin wirklich froh, dass ich dich und Ross habe.« Sie hielt inne und hob bedeutungsvoll die Braue. »Euch beide .«
Schon komisch, dachte Katie, dass wir beide nun kämpfen und uns durchbeißen müssen und auf diese Art und Weise plötzlich wieder etwas gemeinsam haben. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, korrigierte sie sich, dass ich zu der wichtigen Erkenntnis gekommen bin, dass sich nicht alles um mich dreht, sondern dass auch sie nun Hilfe und Unterstützung braucht.
»Bald geht es dir wieder besser«, erklärte Katie. Sie wünschte es sich so sehnlich und sprach mit einer solchen Nachdrücklichkeit, dass Jo die Tränen kamen.
Das herannahende Getrappel kleiner Füße hielt beide davon ab, noch mehr zu sagen. Die Trauer in Jos Gesicht wich einer überzeugenden Fröhlichkeit, als Molly in die Küche stürzte. Dicht auf dem Fuß folgte ihr Hannah.
»Komm, das musst du dir ansehen, Mummy! Komm schon!«, rief Molly. »Komm mit, unser Zauberpferd ansehen!«
»Das ist ein Spiel«, erklärte Hannah und wandte sich an Jo. »Jo! Du musst mitspielen!«
»Beide Mummys müssen mitspielen«, erklärte Jo ernsthaft. »Was frisst denn das Zauberpferd?«
»Wie wäre es denn mit den leckeren Möhren, die ich im Supermarkt gekauft habe?«, schlug Katie vor und winkte mit der Einkaufstüte. »Pferde lieben Möhren!«
»Erinnerst du dich noch an die Pferde, die wir im Urlaub
gesehen haben?«, fügte Jo hinzu. »Ihr könnt uns ja mal zeigen, wie sie an den Möhren gekaut haben!«
Hannah warf Katie einen argwöhnischen Blick zu und gab dann widerwillig nach. »Na gut. Du kannst die Möhren mitbringen, Mummy. Aber sei ruhig, das Pferd schläft gerade.«
Hannah und Molly schlichen davon und machten einander Zeichen, leise zu sein.
»Ich hoffe, deine Pferdeimitation ist ein Knaller?«, seufzte Jo.
»Sie ist besser, als du glaubst«, erwiderte Katie grinsend.
33
Zwar wich der feine, herbstliche Nieselregen im Laufe des Novembers einer beißenden Kälte, doch Ross nahm sich weiterhin die Donnerstage und die Montagabende frei.
Gegenüber Katie machte er nur vage Andeutungen darüber, wohin er ging, doch einige Aussagen von Hannah lie ßen darauf schließen, dass er anscheinend viel Zeit mit Jo verbrachte. Katie war außerdem aufgefallen, dass er wieder die Haare geschnitten hatte. Die neue Frisur brachte sein Gesicht besser zur Geltung und verlieh diesem ein neues, frischeres Aussehen. Zu Hause war er sehr viel lebendiger und ließ es nicht zu, dass Hannahs
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