Tanz mit mir - Roman
besuche.«
»Okay, okay.« Katie löste den Sicherheitsgurt und fühlte sich ausgeschlossen – wie jedes Mal, wenn er ihr etwas über die Kinder erzählte, was sie nicht wusste.
»Die Memorial Hall befindet sich hinter dem Wohnblock«, fuhr Ross fort, während er aus dem Auto stieg. »Die Häuser rundherum müssen im Krieg bombardiert oder später abgerissen worden sein, doch die Memorial Hall ist geblieben. Sie ist sogar ziemlich hübsch.«
»Ich hätte nicht gedacht, hier auf solch ein Gebäude zu sto ßen.«
»Ach?« Ross antwortete mit einem genervt-destruktiven Ton, von dem er genau wusste, dass er Katie bis aufs Blut reizte.
»Was meinst du damit? Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es doch einfach! Wenn es eine Anspielung sein soll, dass ich die Kinder nicht zu dieser verdammten Spielgruppe bringe, dann sag’s doch einfach!«
Katie wurde plötzlich bewusst, dass sie im Straßenlicht der Wohnsiedlung stehen geblieben war und in der Stille, die um sie herum herrschte, Ross fast anschrie.
Ross hielt nun auch inne und sah sie an. Seine Stimme blieb gelassen, doch seine Selbstbeherrschung brachte Katie noch mehr in Rage. »Es dreht sich nicht immer nur um dich. Ich wollte gar nichts damit andeuten . Ich habe lediglich gemeint, dass du in der Abteilung Städteplanung arbeitest, und mich gewundert, dass du das Gebäude nicht kennst. Das war alles. Könntest du jetzt bitte damit aufhören, bei jeder Kleinigkeit einen Streit vom Zaun zu brechen, und dich wieder beruhigen?«
»Ich bin ruhig!«, fuhr sie ihn an. »Ich hatte nur einen anstrengenden Tag, ja? Erinnerst du dich an dieses Treffen zur Städtebauförderung, von dem ich dir erzählt hatte?«
Ross erwiderte nichts, und dies war die nervigste Antwort aus seinem Arsenal der nervigen Reaktionen. Es bedeutete, dass seine Gedanken zu viel Sprengstoff enthielten, um sie laut zu äußern.
»Was ist?«, hakte sie nach. »Raus mit der Sprache!«
»Wir hatten beide einen anstrengenden Tag!«, korrigierte er. »Hast du dich auch nur ein einziges Mal erkundigt, wie mein Tag verlaufen ist? Nein.«
Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen zu Wort. »Okay. Wie war also dein Tag?«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu. »Egal. Vergiss es einfach.«
Na super, dachte Katie. Also mal wieder einer dieser Abende, an denen alles, was wir tun, den anderen auf die Palme bringt. Ganz gleich, wie sehr wir uns bemühen, dass genau das nicht passiert.
Eine ganze Weile lang starrten sie sich im wenig schmeichelhaften Licht der Straßenlaternen finster an.
Wir werden alt, dachte sie. Es gab Zeiten, da habe ich mich darauf gefreut, mit ihm zusammen alt zu werden. Wenn ich mit einem anderen Mann einen Neubeginn starten muss, wird er nicht einmal mein junges Ich gesehen haben als Entschädigung für die Krähenfüße und Speckröllchen, die ich jetzt habe.
Wie gewohnt, brach Ross als Erster das Schweigen. »Tut mir leid. Komm schon«, versuchte Ross, Katie zu überreden. »Wir wollen doch nicht zu spät kommen, oder?«
Katie schüttelte den Kopf heftiger, als sie musste, um die Gedanken aus dem Kopf zu bekommen, und folgte ihm.
Die Memorial Hall stand tatsächlich, wie Ross gesagt hatte, zwischen zwei grauen Hochhäusern und sah aus wie ein Puppenhaus aus roten Ziegelsteinen. Die Tür mit dem Rundbogen und die glasierten Dachziegel ließen das Gebäude wie einen unerwarteten Farbklecks im monotonen Grau der Siedlung erstrahlen. Zum Gedenken an die Kriegsgefallenen 1914- 1918 war auf einer Steintafel auf der einen Seite der Tür zu lesen, auf der anderen Seite stand Grundstein gelegt von Mrs. Holloway, Lady Mayoress, 20. April 1922 .
»Oh, wie schön!« Gegen ihren Willen war Katie begeistert.
»Ja, nicht wahr?« Ross stieß die Tür auf und ließ ihr den Vortritt.
An der Türschwelle blieb Katie einen Augenblick lang zögernd stehen. Obwohl sie es gewohnt war, im Büro an Besprechungen mit allen möglichen Leuten teilzunehmen, musste sie sich dennoch innerlich stets einen Ruck geben. Tief in ihrem Inneren war sie immer ziemlich angespannt, wenn sie fremde Menschen kennenlernte, und hatte Angst, dass diese die Fassade ihres geschäftigen Tuns durchschauen oder sie nicht mögen würden. Ross stand wie ein kleiner Junge zaudernd hinter ihr und wartete darauf, dass sie zuerst hineinging. Das tat er immer. Zu Beginn hatte es noch wie eine galante Geste gewirkt; doch mittlerweile wusste Katie, dass Ross damit beabsichtigte, dass sie die Regie übernahm, damit er es
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