Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz mit mir - Roman

Tanz mit mir - Roman

Titel: Tanz mit mir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon Sina Hoffmann
Vom Netzwerk:
einmal Schüler unterrichtet, die noch schlechter waren als wir?«
    »Öfter, als Sie sich vorstellen können!«, antwortete Angelica.

    »Angelica ist nicht einfach nur eine Tanzlehrerin, Lauren«, erklärte Bridget und warf ihr kurz einen entschuldigenden Blick zu. »Sie war ein international gefeierter Turniertanz-Champion – sie ist die einzige wirkliche Berühmtheit, die unsere Stadt hervorgebracht hat!«
    »Ehrlich?«, fragte Lauren – vielleicht eine Spur zu ungläubig. »Wow. Sie sind also berühmt?«
    Angelica winkte das Kompliment ab, doch Katie entging nicht, wie ganz kurz ein stolzer Ausdruck über ihr Gesicht huschte, der jedoch mit einer gewissen Bitterkeit gemischt war.
    »Allenfalls unter Leuten, die tanzen gehen«, erklärte sie. »Nächste Woche treffen wir uns wieder um die gleiche Zeit?«
    Breite Zustimmung schallte ihr entgegen, dann klimperte Greg ungeduldig mit dem Autoschlüssel. Bevor irgendjemand noch eine Frage stellen konnte, waren mit einem Mal alle verschwunden.

7

    Da die Septembernacht recht mild war, spazierte Angelica langsam von der Memorial Hall nach Hause, die Tanzschuhe in ihrer großen Tasche (die laut Aussage ihres Osteopathen, der um ihre überbelasteten Gelenke bangte, viel zu groß war). Sie hätte auch mit dem Auto fahren können, doch der Weg bis zur Sydney Street war nicht weit, und zudem hatte sie sich vorgenommen, sich so oft und viel wie möglich zu bewegen. Angelica hatte sich nie für Fitnessstudios und Diäten begeistern können. Sie war sich nicht sicher, ob sie an professionellen Tanzwettbewerben heutzutage überhaupt noch teilnehmen wollte, wenn sie an das ganze Training, die Ernährungsvorschriften und die Physiotherapie dachte, die mittlerweile damit verbunden waren.
    Während sie an Neubauten vorbeischlenderte, die dort errichtet worden waren, wo einst der Busbahnhof im Art-déco-Stil mehreren Generationen von gelangweilten Longhamptoner Jugendlichen Schutz geboten hatte, dachte sie, dass zu ihrer Zeit damals der Tatendrang und die eigene Energie dazu beigetragen hatten, dass man schlank blieb. Energie, Zigaretten und die Tatsache, dass für Nahrungsmittel kein Geld mehr übrig gewesen war, nachdem man alles andere bezahlt hatte.
    In dieser Hinsicht war Tony Canero für die Frauen eine der besten Diäthilfen weit und breit gewesen. Wenn sie nicht getanzt hatten, als würde am nächsten Tag das letzte Tanzturnier
aller Zeiten stattfinden, hatten sie sich ebenso leidenschaftlich in seinem möblierten Zimmer in Vauxhall geliebt. Angelica hatte sich ständig mit der Frage herumgequält, wo er gewesen war und ob sein wankelmütiger, kritischer Blick im Tanzstudio nicht auf eine bessere Tänzerin gefallen war, auf ein erfahreneres, fescheres, klügeres Mädchen, das nicht aus einer provinziellen Umgebung wie dieser stammte. Angelica hatte hart an ihrem Tanz gearbeitet, noch härter jedoch an sich selbst.
    Rückblickend vermutete sie, dass dies noch etwas war, was Tony und sie miteinander geteilt hatten – der Zauber auf der Tanzfläche hatte sie an einen Ort versetzt, der meilenweit von dem langweiligen Leben entfernt war, in das sie hineingeboren waren. Doch im Gegensatz zu ihr hatte er es nicht nötig gehabt, anderen etwas beweisen zu müssen. Für Männer war es immer schon einfacher gewesen. Sie konnten wirklich jedes Ziel erreichen; im Gegensatz zu den Frauen waren sie nie gezwungen gewesen, sich zwischen ihren verschiedenen Ichs entscheiden zu müssen.
    Angelica passierte mit forschem Schritt die High Street und ging hinunter zum schlammigen Fluss. Fünf Minuten später war sie in die Sydney Street mit ihren altmodischen Laternenmasten abgebogen und tanzte, wie immer schon, in ihrer Phantasie wie Gene Kelly mit einer Straßenlaterne.
    In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, wo Tony war oder ob er vielleicht immer noch tanzte. Sie hatte es sogar geschafft, sich ein paar Jahre lang diese Frage nicht mehr zu stellen. Die Pflege ihrer Mutter während ihrer letzten Tage hatte Angelica mehr erschöpft, als sie für möglich gehalten hätte, und außerdem dachte sie nicht gerne zurück. Man schwelgte in Erinnerungen, wenn es nichts mehr gab, worauf man sich noch freuen konnte.
    Seit sie jedoch die Haustür von 34 Sydney Street aufgesperrt hatte, war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass sie erst wieder
glücklich werden würde, wenn sie hier Klarschiff gemacht hatte. Vielleicht hatte sie dieses Gefühl schon früher beschlichen: Vielleicht war das der Grund

Weitere Kostenlose Bücher