Tanz, Pueppchen, Tanz
dass Carter Reese sich so lange halten wird, dass es eine Rolle spielen könnte. Sie ertappt sich bei dem Wunsch, dass er sie überrascht, und lächelt ihn mit der stummen Bitte an, vom vorgeschriebenen Drehbuch abzuweichen. Ich will, wenn du willst, versucht sie ihm mit Blicken zu sagen. Er tätschelt ihre Hand und blickt nervös zur Tür.
Als plötzlich der Kellner neben dem Tisch steht, zuckt Amanda zusammen, weil sie ihn nicht hat kommen sehen.
»Hat es Ihnen geschmeckt?«, fragt er und fängt an, das Geschirr abzuräumen.
»Köstlich.«
»Danke«, sagt er, als hätte er das Essen persönlich zubereitet. »Vielleicht ein Dessert? Wir haben eine ausgezeichnete Limonen-Tart.«
»Klingt gut.«
»Für mich einen koffeinfreien Cappuccino«, erklärt Carter dem Kellner. »Und eine zusätzliche Gabel.«
Amanda erstarrt. Sie hat es immer gehasst, ihr Essen zu teilen, und mag es nicht, wenn ein anderer auf ihren Teller langt.
»Und was hat dich nach Florida geführt?«, fragt Carter.
Amanda fällt plötzlich auf, wie still es geworden ist, so als hätten alle Anwesenden ihre Gespräche eingestellt, um ihre Antwort zu hören. Sie späht durch das Halbdunkel zu den wenigen anderen Gästen, die alle mit dem Essen beschäftigt und auch ansonsten beruhigend desinteressiert an ihrer Anwesenheit wirken. »Vor acht Jahren habe ich hier Urlaub gemacht«, erklärt sie ihm. »Und was ich gesehen habe, hat mir gefallen. Also bin ich geblieben.«
Ab wann wird eine Halbwahrheit zur Lüge, fragt sie sich und denkt an den Eid, den alle Zeugen vor Gericht ablegen müssen. Schwören Sie die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit..?
Sagt irgendjemand je die ganze Wahrheit?
Vor acht Jahren habe ich hier Urlaub gemacht (um meinem ersten Mann zu entfliehen), und was ich gesehen habe (meinen zweiten Mann) hat mir gefallen. Also bin ich geblieben.
»Hast du hier Jura studiert?«
»Ja, ich habe Jura studiert.« Habe wieder geheiratet.
»Habe die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen.«
Bin wieder geschieden worden. »Habe für ein Jahr in einer kleinen Kanzlei in Jupiter gearbeitet, bevor das Angebot kam, bei Beatty und Rowe anzufangen.«
»Und wo lebt deine Familie?«
»Meine Mutter ist in Toronto. Mein Dad ist vor elf Jahren gestorben.«
»Ich habe meine Mutter im letzten Jahr verloren«, sagt Carter leichthin, als ob er sie lediglich verlegt hätte und sie, wenn er nur gründlich genug suchte, vielleicht einfach wieder auftauchen würde. »Krebs.«
Amanda nickt mitfühlend. »Es ist schwer …«
»Für meinen Vater nicht. Er hat zwei Monate später wieder geheiratet. Das Mädchen von nebenan«, fügt Carter bitter hinzu und verzieht die Mundwinkel zu einem höhnischen Grinsen.
Amanda findet die Mischung aus Verbitterung und einem höhnischen Grinsen beinahe unwiderstehlich. Sie verleihen einer ansonsten faden Stimme Charakter und Gesichtszügen ganz allgemein etwas Attraktives. Sie bereut es, einen Nachtisch bestellt zu haben. Je schneller sie von all den unerwünschten Verwandten loskommen, desto besser. »Ich habe übrigens auch eine Cappuccino-Maschine zu Hause«, sagt sie verführerisch.
Carter Reese ist sofort auf den Beinen. »Kellner«, bellt er in die Dunkelheit, wobei es ihm entweder entgeht oder plötzlich gleichgültig ist, dass er jetzt im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit steht. »Die Rechnung, bitte.«
Amanda trifft sich mit Carter Reese vor der eleganten, in Marmor und Glas gehaltenen Lobby ihres Apartmentgebäudes am North Ocean Boulevard. Sie haben ihre Autos geparkt, sie auf ihrem markierten Parkplatz in der Tiefgarage, er auf dem Gästeparkplatz vor dem Haus. »Guten Abend, Joe«, begrüßt sie den älteren Portier und schiebt Carter in Richtung der Aufzüge im hinteren Teil der Halle.
Während sie auf den Aufzug warten, hebt Carter seinen Blick kaum von den Troddeln an seinen schwarzen Slippern. Das helle Licht in der Lobby und all die Spiegel an den Wänden, die ihm das Bild des willigen Ehebrechers zigfach entgegenhalten, sind ihm sichtlich unangenehm. »Langsame Fahrstühle«, bemerkt er leise, obwohl sie noch gar nicht lange warten.
Als der Lift nach ein paar weiteren Sekunden endlich aufgeht, tritt eine attraktive Frau mittleren Alters mit einem weißen, an seiner Leine zerrenden Pudel aus der Kabine. Als der Hund Carter sieht, bellt er und stürzt sich auf ihn.
»Pussycat«, ermahnt ihn sein Frauchen und zieht heftig an dem strassbesetzten Halsband des Tieres.
»Der Mann
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