Tanz, Pueppchen, Tanz
herausgefunden.«
Einige Minuten später kehrt der Kellner mit ihren Getränken zurück, die er auf einem niedrigen Tisch zwischen ihnen abstellt. Das feine warme Fruchtaroma weht Amanda in die Nase. »Hm. Das riecht wunderbar.«
Ben hält seine Nase über den Glasrand und atmet tief ein.
»Das kann man wohl sagen.« Er hält das Weinglas hoch.
»Prost.«
»Prost.« Amanda stößt mit dem Rand ihrer Porzellantasse an die Wölbung seines Glases und fragt sich, was es zu feiern gibt. »Und was machen wir, nachdem wir Hayley Mallins’ Fassade geknackt haben?«
»Das kommt darauf an, was sie sagt.«
»Und wenn sie gar nichts sagt?«
»Zeigen wir ihr das Foto.«
»Um den alten Spruch zu bestätigen – ein Bild sagt mehr als tausend Worte?«
Ben nickt und trinkt einen großen Schluck Rotwein.
»Und wenn sie darüber auch nichts weiß? Wenn sie keine Ahnung hat, wie meine Mutter in den Besitz des Fotos gekommen ist und was sie damit gemacht hat? Was, wenn wir die arme Frau durch unseren Besuch nur noch weiter verstören, als sie es ohnehin schon ist? Ich meine, vielleicht hat meine Mutter Recht. Hat es wirklich Sinn, irgendeinen Mist aufzuwühlen?«
»Bist du ganz sicher, dass es dir gut geht?«, wiederholt Ben seine Frage von vorhin und sieht sie über den Rand seines Glases an.
»Ja. Warum?«
»Es ist ganz untypisch für dich, dir Sorgen um aufgewühlten Mist zu machen.«
»Stimmt«, gibt Amanda zu. Was ist mit ihr los? Hat sie wirklich gesagt, dass ihre Mutter vielleicht Recht hat – mit irgendwas? »Das muss an dem Tee liegen.«
»Sieh mal«, sagt Ben. »Selbst wenn wir nichts Wichtiges erfahren, betrachte es als einen Dienst an der Menschheit.«
»Einen Dienst an der Menschheit?«
»So erfährt Hayley Mallins zumindest von dem Nachlass ihrer Schwiegermutter. Vielleicht kehrt sie als reiche Frau nach England zurück.«
»Meinst du?«
»Ich meine, du solltest deinen Tee austrinken.« Er kippt den Rest seines Rotweins hinunter und steht auf. »Auf in den Kampf.«
Wenig später treten sie im 24. Stock aus dem Fahrstuhl.
»Hier entlang«, sagt Amanda, schon auf halbem Weg den Flur hinunter.
»Amanda, warte«, ruft Ben ihr nach. »Versprich mir, dass du nicht ausrastest.«
Ohne stehen zu bleiben, sieht sie sich um. »Ich werde nicht auf Konfrontationskurs gehen. Versprochen.«
»Geh das Ganze einfach ganz langsam und behutsam an.«
Amanda steuert die Tür der Suite der Mallins’ an. »Tue ich das nicht immer?«
»Scheiße«, hört sie Ben murmeln, als sie die Hand hebt, um an die Tür zu klopfen.
»Mom«, ruft kurz darauf eine Jungenstimme hinter der Tür. »Da ist jemand.«
Man hört Schritte – zögerlich, tastend – und eine Frauenstimme – verhalten und ängstlich. »Wer ist da?«
»Hier ist Amanda Travis, Mrs. Mallins. Wir haben neulich miteinander gesprochen …«
Die von einer Metallkette gesicherte Tür wird einen Spalt weit geöffnet. Ein dunkles Auge späht in den Korridor und weitet sich, als es erkennt, dass Amanda nicht allein ist.
»Wer ist das?«
»Das ist Ben Myers. Er …«
»… vertritt die Frau, die meinen Mann erschossen hat«, erkennt Hayley Mallins.
»Könnten wir kurz reinkommen, Mrs. Mallins?«, fragt Amanda. »Es gibt da einiges, das wir mit Ihnen besprechen müssen.«
»Was denn zum Beispiel?« Die Kette bleibt störrisch vorgelegt.
»Das hier zum Beispiel.« Amanda greift in die Tasche ihres roten Parka, zieht das Bild von Vater und Tochter heraus und hält es vor den Türspalt. Das sichtbare Auge wird noch weiter und erkennbar alarmiert aufgerissen, bevor die Tür vor Amandas Nase zugeschlagen wird.
»So viel zu der Idee, es langsam und behutsam angehen zu lassen«, meint Ben.
»Tut mir Leid. Ich konnte nicht anders.« Amanda hebt die Hand und klopft energisch.
»Gehen Sie weg«, ertönt die prompte Antwort.
»Mrs. Mallins … Hayley. Bitte.«
»Gehen Sie weg, oder ich rufe die Polizei.«
»Tun Sie das«, sagt Ben laut. »Ich denke, die Polizei könnte sich sehr für das Foto interessieren.«
In der nachfolgenden Pause ist es, als würde niemand atmen. Schließlich hört man, wie die Kette aus ihrem Schloss gelöst wird, bevor der Türknauf sich dreht und die Tür aufgeht. Hayley Mallins macht einen Schritt zurück, um sie eintreten zu lassen.
»Gut gemacht«, flüstert Amanda Ben bewundernd zu, als sie über die Schwelle tritt und sich verstohlen umsieht. Als Erstes fällt ihr auf, dass Hayley Mallins’ ohnehin blasse Haut jetzt so
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