Tanz, Pueppchen, Tanz
früheren Klassenkameraden geteilt.
Die Unterhaltung verstummt. Ben schaltet das Radio ein und wechselt von einem Sender zum nächsten, bevor irgendetwas in Amandas Bewusstsein dringt. Das flache Band des Highway erstreckt sich endlos vor ihnen. Am Straßenrand gibt es nichts, was auch nur ansatzweise betrachtenswert erscheint. »Wie weit ist es denn noch?«, fragt sie, als Ben auf den Highway 427 wechselt.
»Wir sind fast da.«
»Wir sind so gut wie wieder am Flughafen, Herrgott noch mal.«
An der Dixon Road biegt Ben rechts ab und an der nächsten Ampel links in die Carlingview Road in nördlicher Richtung. »Nur noch ein paar Minuten.«
Amanda dreht sich um, blickt aus dem Rückfenster und stellt fest, dass die Stadt kaum noch zu sehen ist. »Vielleicht ist das doch keine so gute Idee.«
»Vielleicht nicht«, gibt er ihr Recht.
»Hast du heute Morgen mit meiner Mutter gesprochen?«
»Nein.«
»Sie weiß also immer noch nicht, dass ich hier bin?«
»Ich hoffe, der Schock, dich zu sehen, löst ihre Zunge.«
»Ich würde mich da auf gar nichts verlassen.«
»Das tue ich nie.«
Sie fahren in nördlicher Richtung weiter, bis sie die Disco Road erreichen, wo sie rechts abbiegen und nach hundert Metern in eine lange Einfahrt auf der rechten Straßenseite fahren.
Der Anblick macht einem nicht direkt Lust, das weiße Ballkleid auszumotten und zum Tanz zu gehen, denkt Amanda, als sie das hässliche, flache, braune Backsteingebäude sieht, das sich bedrohlich in der Mitte der Straße mit dem seltsamen Namen erhebt. »Noch deprimierender könnte es gar nicht sein, was?« Sie stellt sich die Gefängnisse in Südflorida vor, die pastellfarbenen Fassaden, umgeben von malerischen Wassergräben und exotischer Vegetation. Aber nicht einmal Palmen, die sich in einer warmen Brise wiegen, könnten diesem architektonischen Ungetüm weiterhelfen, entscheidet sie, während Ben auf dem vollen Parkplatz eine Lücke sucht.
»Ich kann dich direkt vor der Tür absetzen, wenn du willst. Dann musst du nicht durch den Schnee stapfen.«
»Nein, das ist schon okay. Ich hab’s nicht eilig, da reinzukommen. Außerdem hab ich ja neue Stiefel.« Wieder streckt sie die Beine aus, um ihr Schuhwerk seinem Urteil zu präsentieren.
Diesmal ist er so nett, auch hinzugucken. »Sehr schick.«
Er parkt den Sportwagen in einer Lücke auf dem hinteren Teil des Parkplatzes, schaltet den Motor ab und atmet tief aus. »Bist du bereit?«
»Können wir noch ein paar Minuten einfach hier sitzen bleiben?«
»Amanda …«
»Nur ein paar Minuten.«
Er nickt.
»Es ist ziemlich groß«, sagt Amanda, um Zeit zu schinden. »Mir war nicht klar, dass Toronto eine solche Hochburg der Kriminalität ist, vor allem der weiblichen.«
»Das Männergefängnis ist auf der Rückseite.« Er zeigt auf die Fassade. »Was du siehst, sind beide Gebäude.«
Amanda schließt die Augen, weil sie am liebsten gar nichts sehen würde. »Wie bist du überhaupt in den ganzen Schlamassel gezogen worden? Hat meine Mutter dich angerufen?«
»Nein. Ich habe in der Zeitung von ihrer Verhaftung gelesen und freiwillig meine Dienste angeboten.«
»Warum um alles in der Welt hast du das getan?«
»Ich weiß nicht. Ich habe mich wohl in gewisser Weise verpflichtet gefühlt.«
»Verpflichtet? Sie war ja wohl kaum höflich zu dir, als wir verheiratet waren.«
»Vielleicht habe ich es deswegen getan.«
»Weil sie nicht mal höflich zu dir war?«
»Weil wir verheiratet waren.«
Amanda schlingt die Arme fester um den Körper, als wollte sie sich selbst umarmen. »Willst du damit sagen, du hättest es für mich getan?«
»Ich will sagen, dass ich es getan habe, weil ich dachte, dass es das Richtige ist.«
»Selbst wenn sie schuldig ist?«
»Vor allem, wenn sie schuldig ist.«
Amanda versucht zu lachen. »Erzähl mir nicht, dass du diesen Mist wirklich glaubst, von wegen jeder hat das Recht auf die bestmögliche Verteidigung, unabhängig von seiner Schuld oder Unschuld?«
»Du nicht?«
»Irgendwie schon«, gibt sie zu und zittert in ihrem schwarzen Wollmantel. »Aber es fällt einem zunehmend schwerer. Ich meine, es wäre nett, hin und wieder einen Mandanten zu haben, der es wirklich nicht war.«
»Es sind schon seltsamere Dinge passiert.«
»Zum Beispiel, dass wir beide Anwälte geworden sind?«
»Zum Beispiel, dass wir beide Anwälte geworden und dann auf dem Parkplatz des Metro West Detention Center erfroren sind.«
»Willst du sagen, es wird Zeit reinzugehen?«
»Ich
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