Tanz um Mitternacht
geplant, wie er die Insel verlassen würde. Wenn ihm die Flucht gelang, würden Rand und die anderen auf Santo Amaro festsitzen, bis die Moroto zurückkehrte. Inzwischen würde der Baron einen viel zu großen Vorsprung gewinnen. O Gott, was würde er Cait antun, sobald er mit ihr allein war?
Entschlossen bezwang Rand seine Angst. Wenn der Bastard ihr auch nur ein einziges rotgoldenes Haar krümmte, musste er sterben.
Schmerzhaft gruben sich die Finger das Barons in Caits Arm, als er sie bergab zerrte. »Beeilen Sie sich!« Der Weg
war schlammig und glitschig, der Nieselregen drohte in einen Wolkenbruch überzugehen.
»Schneller kann ich nicht gehen!«, klagte Cait. Sie bekam kaum noch Luft, hatte Seitenstechen, und alle ihre Muskeln brannten wie Feuer. Natürlich tat sie ihr Bestes, um das Tempo ihres Peinigers zu verlangsamen. Immer wieder stolperte sie über Zweige, stieg in halb verborgene Gruben und gab vor, aus dem Gleichgewicht zu geraten. »Warum - haben wir’s so eilig?«, stammelte sie und rang mühsam nach Atem. »Bis zur Ankunft des Schoners müssen Sie auf der Insel bleiben - und der wird erst in einer Woche eintreffen.«
Unsanft drehte er sie zu sich herum, so heftig, dass sie erneut strauchelte. »In der Bucht südlich vom Hauptlager wartet ein Boot. Heute Abend segle ich davon.«
Ein Schauer rann über ihren Rücken. Heute Abend? Vor dem Einbruch der Dunkelheit würden sie den Strand nicht erreichen - oder doch? Als er sie wieder mit sich zog, wollte sie mit aller Macht verhindern, dass sie zu schnell vorankamen. »Und - die restlichen Schätze? Die wollen Sie doch nicht zurücklassen...«
Ohne seine Schritte zu verlangsamen, umklammerte er ihren Arm noch fester. »Wir nehmen alles mit. Im Lager werden wir nur ein paar alte Eingeborene antreffen, zwei Kammerdiener und einen Lakaien und diese idiotische Köchin, Hester Wilmot. Die werden uns wohl kaum aufhalten.«
Nein, sicher nicht. Diese Leute arbeiteten für Talmadge. Wahrscheinlich würden sie ihm sogar helfen.
Sie betrachtete die Pistole, die er zwischen ihre Rippen drückte. Bis jetzt hatte sie keinen Fluchtversuch gewagt. Rand hatte ihr geraten, dem Baron zu gehorchen. Mit diesen Worten hatte er ihr wahrscheinlich bedeutet, sie sollte sich gedulden, bis er ihr folgen würde. Vorerst fand sie diesen Plan vernünftig.
Sie erblickte eine Mulde, teilweise von Blättern und kleinen Zweigen verborgen, und stieg absichtlich hinein. Dadurch gewann sie erneut ein paar Sekunden Zeit und schaute sich um. Rand ließ sich noch immer nicht blicken.
»Für wie dumm halten Sie mich eigentlich?«, fauchte Talmadge, zog sie aus der Grube und schlug ihr ins Gesicht. »Wenn Sie glauben, ihr verdammter Duke würde Ihnen nachlaufen, täuschen Sie sich. Inzwischen liegt der Narr am Fuß des Steilhangs, unter ein paar hundert Felsbrocken.« Schmerzhaft verdrehte er ihr den Arm. »Er ist tot. Hören Sie? Für alle Zeiten aus Ihrem Leben verschwunden! Jetzt gehören Sie mir. Finden Sie sich damit ab!« Plötzlich grinste er. »Eines Tages werden Sie mir dafür danken.«
Von einem Tränenschleier geblendet, schüttelte sie den Kopf. Wie betäubt ließ sie sich weiterführen. Die Wange, die er so brutal geohrfeigt hatte, brannte. Aber sie spürte es nicht. Nein, Rand war nicht tot. Unmöglich. Andererseits -Talmadge musste einen Komplizen haben - jemanden, der zu einem Mord bereit wäre...
Abrupt beendete sie den Gedanken. In ihrer Kehle stieg bittere Galle hoch. Natürlich - Max von Schnell.
Großer Gott, es war möglich. Vielleicht hatte der Deutsche auch den Träger getötet und Sir Monty vergiftet... Die Tränen, bisher so tapfer bekämpft, strömten über ihr Gesicht, und sie unterdrückte ein Schluchzen, das Talmadge nicht hören durfte. Im nächsten Moment strauchelte sie wieder, aber sie stürzte nicht. Der Regen hatte ihre Kleidung durchnässt, der Rock klebte an ihren Beinen und erschwerte jeden Schritt. Vor ihrem geistigen Auge erschien Rands Bild
- hoch gewachsen und gebieterisch, und als sie sich an seine leidenschaftlichen Küsse erinnerte, bebten ihre Lippen.
Ein paar Mal holte sie tief Atem und bezähmte ihre Verzweiflung. Vielleicht war Max von Schnells Mordversuch nicht gelungen. Das konnte nicht einmal Talmadge wissen. Von Anfang an hatte Rand den großen, stämmigen Deutschen verdächtigt. Also würde er auf der Hut sein. Von dieser Hoffnung beflügelt, ging sie weiter. Rand lebte. Daran musste sie einfach glauben.
Und sie musste sich
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