Tanz um Mitternacht
Oper.«
Wie immer, wenn der Vater in diesem wehmütigen Ton von der Mutter sprach, meldete sich Caitlins Gewissen. »Möchtest du die Oper besuchen, Papa? Seit Jahren haben wir keine Aufführung mehr gesehen.« An das letzte Mal konnte sie sich gar nicht mehr erinnern.
Ihr Vater wandte sich zu dem jungen blonden Mann, der sichtlich gespannt auf die Antwort wartete. »Vielen Dank für die Einladung, Geoffrey, wir nehmen sie sehr gern an.«
Erleichtert atmete Geoffrey auf und strahlte über das ganze Gesicht wie ein kleiner Junge. »Die Vorstellung beginnt schon am frühen Abend. Wenn es Ihnen recht ist, hole ich Sie um sechs Uhr ab.«
Dankbar erwiderte Cait sein Lächeln und versicherte, sie würde sich auf den nächsten Abend freuen. Nachdem er das
Haus verlassen hatte, ging sie mit ihrem Vater wieder an die Arbeit. Zumindest versuchte sie sich auf ihre Pflichten zu konzentrieren. Das fiel ihr sehr schwer, denn die Erinnerungen an heiße Küsse und intime Zärtlichkeiten ließen sich dummerweise nicht verdrängen.
»Kann ich noch etwas für Sie tun, bevor ich mich zurückziehe, Euer Gnaden?« Percival Fox, Rands langjähriger Kammerdiener, blieb in der Tür der herrschaftlichen Suite stehen.
»Nein, danke, ich brauche einfach nur meinen Schlaf.«
»Vielleicht würde Sie ein Glas Cognac von Ihrem Ärger mit dem Professor ablenken.«
Rand legte das Buch beiseite, in dem er gelesen hatte. Müde erhob er sich aus seinem Sessel. »Ja, da könnten Sie Recht haben.«
Lächelnd entfernte Percy den Stöpsel aus einer Kristallkaraffe. Ehemals Sergeant in der Britischen Armee, hatte er in Indien und später auf dem Kontinent gedient. Seit ihn vor zehn Jahren eine Musketenkugel in der Brust gezwungen hatte, das Soldatenleben aufzugeben, arbeitete er für Beldon.
In früheren Jahren hatte Percy, ein selbst ernannter Leibwächter, seinen Herrn auf weiten Reisen begleitet. Das war zu Lebzeiten des alten Dukes sehr oft geschehen.
Vor Percy, der eher ein Freund als ein Dienstbote war, verbarg Rand nur wenige Geheimnisse. Jetzt nahm er den Cognacschwenker entgegen und gönnte sich einen großen Schluck. »Unglücklicherweise ist es nicht der Professor, der mir im Augenblick einige Schwierigkeiten bereitet, sondern seine Tochter.«
Percy schwieg. Aber der Ausdruck in den sanften grauen Augen verriet seine Gedanken, bevor er den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss - eine Frau, das hätte ich mir denken können...
Beinahe hätte Rand gelächelt. Stattdessen stellte er das halb volle Glas auf den Nachttisch, warf seinen Morgenmantel auf die gepolsterte Bank am Fußende des Betts und kroch nackt zwischen die Laken. Sinnlich schmiegte sich das kühle glatte Leinen an seine Haut und erinnerte ihn an weiches weibliches Fleisch und weckte den Wunsch, er würde diese Nacht nicht allein verbringen.
Er rückte das dicke Federkissen zurecht und versuchte einzuschlafen. Aber er warf sich rastlos hin und her und fand keine Ruhe. Während er zum goldgelben seidenen Baldachin hinaufstarrte, lauschte er den Regentropfen, die gegen die Fensterscheiben prasselten, hörte den Wind leise rauschen und dachte an Caitlin Harmon.
Vor drei Tagen hatte er sie zum letzten Mal gesehen und seither immer wieder beschlossen, sie zu vergessen. Die Informationen über ihren Vater und Talmadge, die er ihr vielleicht entlocken könnte, waren diese unerträglichen Qualen, die brennende Sehnsucht nicht wert.
Stöhnend schloss er die Augen und dachte an ihre vollen, hoch angesetzten Brüste, die so perfekt in seine Hände passten, die großen smaragdgrünen Augen, das lange rote Haar mit den goldenen Glanzlichtern. So wie in jeder Nacht spürte er sein wachsendes Verlangen, das sich nicht verdrängen ließ. Am letzten Abend hatte ihn die Begierde so heftig gepeinigt, dass er ausgegangen war, um die Qual zu lindern.
Seine einstige Geliebte Hannah Reese, eine Drury Lane-Schauspielerin, freute sich immer, ihn zu sehen. Von Anfang an waren sie nicht nur ein Liebespaar, sondern auch gute Freunde gewesen. Was Rand betraf, besaß Hannah einen sechsten Sinn und zeigte sich stets bereit, ihn zu trösten -was immer er sich gerade wünschte. Er ging zum Theatre Royal, um sie abzuholen. Aber als er in der Catherine Street angekommen war, hatte er klar erkannt, dass er nicht Hannah, sondern Caitlin Harmon begehrte.
Seufzend schaute er ins Dunkel, hörte die Messinguhr ticken, den Wind pfeifen. Unwillkommene Gedanken an Caits sanfte Rundungen reizten seine
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