Tanz um Mitternacht
fragte Rand verblüfft und drehte sich zu seinem Freund und Kammerdiener um. »Behaupten Sie etwa, die Halskette der Kleopatra sei gefunden worden?«
»Nein, bis jetzt nicht. Aber sie haben andere Wertsachen ausgegraben - zum Beispiel ein juwelenbesetztes Kruzifix, mindestens zehn Silberbarren, ein goldenes Schmuckkästchen, mit Diamanten und Smaragden verziert. In einer einzigen Grube lagen etwa zweitausend holländische Silbergulden.«
Rand holte tief Atem. Darauf war er nicht gefasst gewesen. »Hat der Professor mit diesen Ausgrabungen gerechnet? Soweit ich mich entsinne, erwähnte er immer nur die Halskette.«
»Sicher hat er erwartet, dass einiges auftauchen würde. Aber im Grunde interessiert er sich nur für die Kette. Was die anderen Schätze betrifft, wollte er wahrscheinlich nichts versprechen, was er vielleicht nicht halten könnte.«
»Aber Talmadge muss etwas geahnt haben. Und er war zweifellos von Dr. Harmons Erfolg überzeugt. Jetzt befinden sich mehrere Wertgegenstände in seinem Besitz. Ist der Professor verrückt?«
»Eher naiv. Er scheint dem Baron blindlings zu vertrauen.
Übrigens - inzwischen halte ich den Professor für unschuldig. Um sich an solchen Betrügereien zu beteiligen, fehlt es ihm an der nötigen Tücke.«
Rand nickte erleichtert. »Hoffentlich haben Sie Recht, Percy. Der alte Mann wächst mir allmählich ans Herz.«
»Laut Mrs. Wilmot, die liebend gern die Gespräche anderer Leute belauscht, hat Miss Harmon ihren Vater mehrmals gebeten, dem Baron auf die Finger zu schauen. Offensichtlich nützt es nichts.«
»Talmadge muss Dr. Harmons Vertrauen schon vor langer Zeit gewonnen haben. Und seither hat er’s wohl kaum enttäuscht. Sonst würde der Professor die Warnung seiner Tochter ernst nehmen.« Rand legte eine Hand auf Percys Schulter. »Vielleicht sind Sie dem Baron bereits auf die Schliche gekommen, mein Freund. Die Sachen, die bisher gefunden wurden, sind ein Vermögen wert. Nie hätte ich gedacht, dass der Mann einen so einfachen Plan geschmiedet hat - genug Geld für die Expedition aufzutreiben, geduldig zu warten, bis die Schätze entdeckt werden, und damit zu verschwinden. Wenn alles so abläuft, wie er sich’s vorstellt, muss er nie mehr arbeiten.«
Skeptisch hob Percy die Brauen. »Falls er’s wirklich so geplant hat, ist er ein hohes Risiko eingegangen. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass der Professor überhaupt nichts finden würde.«
»O ja. Und Talmadge ist nicht der Mann, der irgendwas riskiert.« Rand strich nachdenklich über sein Kinn. »Anderseits steckt nicht sein eigenes Geld in diesem Projekt. Außer seiner Zeit hat er nichts zu verlieren - und eine ganze Menge zu gewinnen, wenn seine Rechnung aufgeht.«
»Angenommen, Sie haben Recht, Euer Gnaden - wie wollen wir’s beweisen? Und wie sollen wir seinen Erfolg verhindern?«
»Zwei gute Fragen, mein Freund.« Seine Muskete in der Hand, wanderte Rand weiter. Percy blieb ihm auf den Fersen, nachdem auch er seine Waffe ergriffen hatte.
»Interessieren Sie sich für Talmadges Affäre mit der Dienerin Maruba?«
Rand blieb stehen und drehte sich um. »Heute sprudeln Sie geradezu über vor Informationen. Aber momentan finde ich’s gar nicht so wichtig, diesen Betrüger zu entlarven. Erst mal muss ich Cait Harmon klarmachen, dass ich ein besserer Ehemann wäre als St. Anthony.«
Lachend warf Percy seinen Kopf in den Nacken. »Ihre Miss Harmon ist eine kluge Frau, Euer Gnaden. Wenn sie die Wahl zwischen Ihnen und St. Anthony hat, dürfte ihr die Entscheidung nicht allzu schwer fallen.«
Rand murmelte einen unflätigen Fluch. »Hoffen wir’s... Wäre sie nicht so verdammt starrsinnig...«
»Hätte sie nicht einen starken Charakter und ihren eigenen Willen, würde sie Ihnen nicht so viel bedeuten.«
»Möglicherweise stimmt das sogar«, erwiderte Rand grienend. »Jedenfalls muss sie bald Vernunft annehmen.« Das Wort »sonst« blieb unausgesprochen. Trotzdem wusste Percy, was der Duke meinte. In knapp zwei Wochen würde Caitlin Harmon den Titel der Duchess of Beldon tragen. Und dann würde das Ehepaar diese verflixte Insel verlassen und in die Zivilisation zurückkehren, damit Caitlin ihr Baby gefahrlos zur Welt bringen konnte.
Tief über dem Horizont hing eine bleiche Sonne, von einer dünnen Wolkenschicht getrübt. Cait sah Rand aus dem Dunkel des Waldes auf die Lichtung treten. An seiner Schulter hingen einige zusammengebundene Vögel. Seit über einer Woche ging er regelmäßig auf die Jagd,
Weitere Kostenlose Bücher