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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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    »Spiel noch ein bisschen«, sagte sie. »Ich rufe dich dann zum Essen, Samuel.« Sie lehnte die Stirn und die Hände an seine Tür. Was habe ich getan, dachte sie, was habe ich bloß getan! Hätte er nicht unseren Streit mitbekommen, dann wäre er beim Schiffsunglück bei uns gewesen und wäre trocken in das Boot gestiegen.
    Wie hatte es angefangen? Mit dem Café Bauer. Nein, mit den Briefen! Sie ging ins Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank. Hinter den Winterschlüpfern grub sie das Bündel Briefe heraus.
    Ganz hinten waren Lymans gepresste Blumen und der Zettel. Sie holte ihn aus dem Umschlag.
    Morgen, Café Bauer, 10 Uhr?
    Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wenn ich nicht dorthin gegangen wäre … Wenn ich Matheus keine Vorwürfe gemacht hätte, dass er die Einladung nach Amerika ausschlug … Wenn ich nicht gesagt hätte, dass es diese neue Titanic gibt und dass ich damit einmal fahren möchte …
    Sie ging in die Küche und machte Feuer im Herdofen. Während die Flammen sich ins Holz fraßen, fiel ihr Blick auf die Vossische Zeitung, die Mutter ihr mitgegeben hatte. Ein Wort in der Überschrift erregte ihre Aufmerksamkeit: Titanic-Katastrophe.
    Momentan findet in London die Untersuchung statt, die mehr Licht in die Begebenheiten bringen soll, die sich kurz vor und nach dem Untergang der »Titanic« an der Unglücksstelle abspielten. Ein paar kurze Auszüge seien aus den Verhandlungen wörtlich wiedergegeben.
    Staatsanwalt: »Ist es Ihnen gar nicht eingefallen, dass Sie zurückrudern und versuchen sollten, einige der im Wasser um ihr Leben Ringenden zu retten?«
    Sir Cosmo Duff Gordon, Mitglied der englischen Aristokratie: »Nein.«
    Staatsanwalt: »Sie sahen aber, dass in Ihrem Boot Platz für mehr Passagiere war.«
    Sir Cosmo: »Wenn man die Ruder und Masten hinausgeworfen hätte.«
    Staatsanwalt: »Weshalb waren so wenige Personen in Ihrem Boot?«
    Sir Cosmo: »Als es niedergelassen wurde, waren keine anderen Passagiere auf Deck.«
    Staatsanwalt: »Sie hörten die Rufe der ertrinkenden Personen.«
    Sir Cosmo: »Ja – ich glaube.«
    Staatsanwalt: »Aber Sie kümmerten sich nicht im Geringsten darum?«
    Sir Cosmo: »Nein.«
    Staatsanwalt: »Ein Zeuge – nämlich ein Oberheizer, noch dazu ein Schwede, also ein Ausländer – hat ausgesagt, man hätte ohne Gefahr für das eigene Boot zurückrudern können. Was sagen Sie dazu?«
    Sir Cosmo: »Ich glaube, das wäre kaum möglich gewesen.«
    Staatsanwalt: »Weshalb unmöglich?«
    Sir Cosmo: »Ich wüsste nicht, wo wir hätten hinrudern sollen.«
    Staatsanwalt: »Ich meine, warum ruderten Sie nicht in der Richtung der Hilferufe zurück.«
    Sir Cosmo: »Ich weiß nicht.«
    Staatsanwalt: »Also kurz, es wurde kein Rettungsversuch unternommen.«
    Sir Cosmo: »Nein.«
    Staatsanwalt: »Obwohl, wie Sie jetzt wissen, Sie vielen Menschen hätten das Leben retten können?«
    Sir Cosmo: »Das weiß ich nicht.«
    Wütend warf sie die Zeitung in den Ofen. Einen nach dem anderen steckte sie die Briefe hinterher. Es tat ihr weh, es war, als würde mit den Briefen auch die Bewunderung verbrennen, die all diese Männer ihr gezollt hatten. Aber es war besser, sie schnitt sich den Weg durch diese Hintertüren ein für alle Mal ab.
    Die Dielen im Flur knackten. Cäcilie stutzte. Sie war doch allein in der Wohnung! Matheus besuchte einige Greise in einem Altenheim, er konnte unmöglich schon zurück sein.
    »Du heizt das Feuer mit Briefen?«
    Die tiefe Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Lyman. Wie war er in die Wohnung gelangt? Sie drehte sich um. Zeig keine Schwäche, ermahnte sie sich. »Kannst du nicht klingeln wie jeder andere? Spar dir dein Einbrecherwerkzeug in Zukunft.«
    »Du warst bei deinem Vater«, sagte er und legte den Hut auf dem Küchentisch ab. »Was hat er dir erzählt?«
    »Nichts.« Sie stand auf. »Ich habe versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber als ich auf das Thema Kriegsanleihen zu sprechen kam, hat er Lunte gerochen. Er hat gefragt, ob mich jemand angeheuert hat, um ihn auszuhorchen. Richtig wütend geworden ist er, und am Ende kam alles heraus. Jetzt weiß er von dir. Er weiß, dass ich dir berichten sollte.«
    Lymans Körper spannte sich merklich an. »Willst du mich für dumm verkaufen?«
    »Tut mir leid. Es ist die Wahrheit.«
    »Ich habe Vorgesetzte, denen ich Ergebnisse liefern muss. Was soll ich ihnen sagen? Der Auslandsgeheimdienst kann mich zur Strafe nach Indien versetzen oder nach Afrika!« Er

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