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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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hatte recht: Sie verriet jeden, wenn es ihr einen Vorteil brachte, Matheus, Samuel, ihren Vater und ihr Land. Sie verdiente nicht zu leben.
    »Vielleicht bist du auch ein einziges Mal mutig und machst ein Ende, ehe du noch mehr Schaden anrichten kannst«, hörte sie Lyman im Flur sagen. Dann schloss sich die Wohnungstür.
    Cäcilie erhob sich. Nicht einmal die Feinde Deutschlands wollten etwas mit ihr zu tun haben. Sie nahm die Pistole, richtete sie auf ihre Brust und dachte: Tu den anderen einen Gefallen und drück ab.
    Augenblick, sagte eine erwachsene, ruhige Stimme in ihr, die ein wenig klang wie die ihrer Mutter. Du wirst ja noch fünf Minuten Zeit zum Nachdenken haben. Warum will Lyman, dass du dich erschießt? Bestimmt nicht aus moralischen Gründen.
    Sollte sie nicht besser ihren Vater warnen? Lyman musste sich derweil in Sicherheit wägen, er musste glauben, dass sie sich er schossen hatte. Cäcilie richtete die Pistole auf die Wand und drück te den Abzug. Das war schwerer, als sie gedacht hatte. Plötzlich löste sich krachend der Schuss, und Arm und Schulter wurden wie von einem Hammer getroffen.
    Cäcilie rieb sich die schmerzenden Glieder. Sie wickelte die Waffe in ein Geschirrtuch, legte sie in ihre Handtasche, zog sich die Schuhe an und verließ das Haus. Bevor sie auf die Straße trat, sah sie sich vorsichtig um. Lyman war nirgends zu sehen. Sie ging ins Postamt zur öffentlichen Fernsprechstelle und meldete ein Gespräch nach Grunewald an.
    »Zwanzig Pfennige für bis zu drei Minuten«, sagte die Dame streng. »Danach wird es teurer.«
    »Ich weiß.« Wollte ihr die Frau das Telephonat ausreden, oder was? Sie hielt sich den Hörer ans Ohr und wartete. Am anderen Ende meldete sich Therese. »Ich bin’s«, sagte sie, »könnte ich bitte meinen Vater sprechen?«
    »Selbstverständlich. Einen Moment.«
    Kurz darauf war Vaters kraftvolle Stimme zu hören. »Cäcilie? Was gibt es?«
    Sie wendete sich ab, damit das Fräulein nicht ihr Gespräch belauschte, und raunte in den Hörer: »Er ist in die Wohnung eingebrochen und hat mich mit einer Pistole bedroht.« Davon zu reden, ließ ihre Knie so weich werden, dass sie sich am Schaltertresen abstützen musste.
    »Wer? Der Spion?«
    »Ja. Ich musste mich hinknien. Er hat mir die Waffe an den Kopf gehalten und wollte mich erschießen.«
    Es wurde still in der Leitung. Schließlich sagte Vater: »Du hast die Pläne verraten.«
    »Mir blieb nichts anderes übrig. Was tun wir jetzt?«
    »Ich bin schuld. Ich hätte ihn ernster nehmen müssen und dir nichts verraten dürfen. Geh zur Polizei. Sie müssen diesen Kerl schnappen. Vielleicht hat er es seinen Vorgesetzten noch nicht weitergegeben.«
    Das war gut, zur Polizei zu gehen. Eine Aufgabe zu haben. Nicht wehrlos zu sein. »Habe ich unserem Land den Dolch in den Rücken gestoßen?«, flüsterte sie.
    Wieder war es still in der Leitung. »Geh bitte zur Polizei, Cäcilie.«
    »Ich wollte das nicht. Er hätte mich erschossen!«
    Das Telephonfräulein riss die Augen auf, es hatte offensichtlich den letzten Satz verstanden.
    »Vielleicht lässt sich das Unglück noch abwenden«, sagte Vater. »Ich rede mit der Regierung und der Reichsbank. Sei vorsichtig, meine Kleine.«
    Sie versprach es und legte den Hörer auf. Nachdem sie zwanzig Pfennig bezahlt hatte, rannte sie zur Polizei. Außer Atem öffnete sie die Tür. Der Beamte am Empfangstresen wollte ihr nicht glauben. Als sie allerdings die Pistole aus der Tasche holte, wurde sie von ihm in ein Vernehmungszimmer geführt.
    Mehrere Polizisten verhörten sie. Cäcilie wurden Bilder aus der Verbrecherkartei vorgelegt; währenddessen sandte man Männer vom polizeilichen Erkennungsdienst zu ihr nach Hause. Sie sollten an der Wohnungstür nach Fingerabdrücken suchen. Das sei ein neues Verfahren, erklärten ihr die Polizisten, es werde helfen, den Spion zu fangen. Sie telegraphierten eine Suchmeldung an verschiedene Polizeistellen in den Vororten und Bahnhöfen.

32
    L yman Tundale blieb unauffindbar. Es stellte sich heraus, dass die Fingerabdrücke am Türknauf Matheus gehörten. Ludwig Delbrück musste davon ausgehen, dass der britische Secret Service durch den Agenten über die Schwächen und Tricks der deutschen Kriegsfinanzierung informiert worden war.
    Er schlief nicht mehr. Die besorgten Ärzte bescheinigten ihm »hochgradige Nervosität«. Rastlos pflügte Cäcilies Vater durch die Regierungsämter, schrieb Briefe, warnte die Bankiers. Dennoch gelang es den

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