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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Publikum. Verzückt lauschte Matheus der Musik und sah Nele zu. Eine unglaubliche Leichtigkeit war an ihr, es schien, als flöge sie über die Bühne, als würde die Musik ihren Körper schwerelos machen.
    Da plötzlich erstarrte sie. Sie blickte ihn an. Röte zog über ihre Wangen. Ihr Blick ging ihm durch und durch, er fühlte ihn in der Brust, im Bauch. Ihm kam es vor, als würde der ganze Saal die Luft anhalten.
    Endlich tanzte sie weiter. Die Röte blieb in ihrem Gesicht, und ihre Bewegungen wurden züchtiger, immer noch war es ein fließender Tanz, seine Leichtigkeit aber hatte er verloren.
    Wieder ein Blick von ihr. Und noch einer. Er wagte ein Lächeln. Da lächelte Nele ebenfalls, und allmählich kehrte der Schwung zurück in ihre Schritte. Sie drehte sich und ließ ihr Kleid fliegen, sie tanzte zur anderen Seite der Bühne, kehrte in kleinen Schritten zurück, sah ihn an, strahlte.
    »Kennen Sie sie?«, flüsterte der Mann, der neben ihm saß.
    Matheus antwortete nicht.
    Offenbar nahm der Kerl das als Bestätigung. »Sie Glückspilz«, flüsterte er.
    Als sich nach einer knappen Stunde der Vorhang wieder schloss, blieb Matheus sitzen. Das Publikum applaudierte so fordernd und stürmisch, dass Nele erneut auf die Bühne musste. Sie tanzte einige Schritte, ein paar Drehungen. Diesmal allerdings sah sie ihn nicht an, auch nicht bei der letzten Verbeugung, bevor sie hinter der Bühne verschwand.
    Er war unschlüssig, was er tun sollte. Warten und mit ihr reden? Vielleicht wurde sie von ihrem Mann abgeholt, und er brachte sie nach Hause zu drei süßen Kindern. Es waren über zwölf Jahre vergangen! Sicher war sie nicht allein geblieben.
    Während das Theater sich leerte, drückte er sich am Eingang herum. Dann stand er eine halbe Stunde draußen an der Hauswand und sah den Automobilen nach, die vorüberfuhren. Jedes Mal, wenn eines abbremste, fürchtete er, es könnte halten und Neles Mann könnte ihm entsteigen.
    Immerhin, sie hieß noch Nele Stern. Bei einer Hochzeit hätte sie einen neuen Namen erhalten. Oder hatte sie den ihren als Künstlernamen behalten, weil sie als Nele Stern bekannt geworden war?
    Er holte tief Luft und entschied sich, nach drei weiteren Autos zu gehen. Das erste kam, ein Audi 50. Bald darauf folgte das zweite, ein Lieferwagen. An der Seite trug er die Aufschrift: Dr. Oetker Backpulver. Hilft der Hausfrau!
    Matheus sah zum Nachthimmel hinauf. Danke, betete er, für diesen schönen Abend. Ich nehme ihn aus deiner Hand, Gott.
    Ein weißer Opel fuhr vorüber. Das war’s also, dachte er. Er wandte sich zum Gehen. Da sah er aus dem Augenwinkel jemanden hinter sich stehen, im Eingang des Theaters. Er drehte sich um.
    Nele blickte ihn an mit einem Lächeln in den Augen.
    »Wie lange beobachtest du mich schon?« Ihm wurde der Hals heiß, und er konnte spüren, wie sein Herz gegen die Brust schlug.
    »Eine Weile, nicht lange. Hast du die Sterne gezählt?«
    »Ich habe gebetet. Du warst unglaublich. Du tanzt wie … wie …« Ihm fiel kein Vergleich ein.
    »Es ist schön, dich zu sehen, Matheus. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue.« Sie trat auf ihn zu, und als wäre es selbstverständlich, schob sie ihre Hand in seine Armbeuge. »Gehen wir?«

34
    A ls sich nach einem Herbst und einem Winter der Jahrestag des Untergangs näherte, schlug Matheus vor, einhundert Dinge zu tun, die sie daran erinnern sollten, dass sie am Leben waren.
    »Etwas Schönes darf man nicht unter Druck tun«, sagte Nele, »wir fangen einfach an und sehen, was der Tag bringt.«
    So machten sie es. Sie ließen den Wecker vor Sonnenaufgang klingeln. Während sie sich anzogen, flüsterten sie wie Kinder, die ihre Eltern nicht wecken dürfen. Sie packten Kekse ein und Äpfel, gingen nach draußen und spazierten zum Schlosspark. In den Zweigen sangen die Vögel. Allmählich erwachte die Stadt.
    Nele lächelte fremde Menschen an. Sie forderte Matheus auf, es auch auszuprobieren. Anfangs kostete es ihn Überwindung. Bald aber merkte er, dass sich die meisten freuten, und fand Spaß daran. Er grüßte die Leute sogar, lüpfte seinen Hut. Manche runzelten die Stirn und fragten verwirrt: »Kennen wir uns?«
    Sie kauften Kuchen und schenkten ihn einer alten Frau. Jedes Mal, wenn sie einen Polizisten sahen, küssten sie sich. Matheus hob Nele auf eine kleine Mauer und bat sie, darauf zu tanzen. Sie lachte und tat es. Die Vorbeikommenden blieben stehen. Am Ende sprang Nele in Matheus’ Arme.
    Nachmittags kauften

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