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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Aussprache. »Sind Sie Engländer?«, fragte sie.
    »Ja. Ich hoffe, mein Akzent stört Sie nicht.« Das mechanische Klavier ließ die Lyrischen Stücke von Edvard Grieg erklingen. Der Fremde sah sie aus ruhigen grauen Augen an.
    »Sie waren das also«, sagte Cäcilie und zeigte auf die Schneeglöckchen, die er als Erkennungszeichen vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
    Er lächelte. »Sie sind schön.«
    Die Blumen oder ich?, dachte Cäcilie. »Sie wissen, dass ich verheiratet bin?«
    »Eine Gegenfrage: Weiß Ihr Mann, dass Sie hier sind?«
    Natürlich hatte er recht, sie war genauso verantwortlich dafür, dass sie hier zusammensaßen. Eine treue Ehefrau hätte die Einladung ausgeschlagen. Sie sagte: »Wenn er es wüsste, wäre ich nicht hier.«
    Der Kellner brachte den Champagner, goss ihnen ein und stellte die Flasche in einen silbernen Kühler.
    »Auf die Freiheit«, sagte der Engländer und hob das Glas.
    Ich schaue ihn mir nur ein wenig an, dachte Cäcilie. Dann erkläre ich ihm, dass eine Affäre nicht in Frage kommt. »Auf die Freiheit«, sagte sie und trank.
    »Erzählen Sie von sich.« Dieser britische Akzent war anrührend.
    Sie sagte: »Ich lebe in Charlottenburg, bald in Berlin, Bürgermeister Kirschner will die Vorstädte ja eingemeinden. Aber da Sie mir auf Schritt und Tritt folgen, wissen Sie längst, wo ich wohne, nicht wahr?«
    »Sind Sie in Berlin aufgewachsen?«
    »Genau hier, könnte man sagen. Unter den Linden, das ist meine Welt. Als kleines Kind habe ich im Adlon gespielt, Vater hat sich mit Bankdirektoren aus Frankfurt oder Dresden oder Breslau getroffen, und ich habe im Foyer schwere Ledersessel zusammen oder auseinander gerückt und aus Zeitungen Schiffe gefaltet.« Beim Gedanken daran wurde sie wehmütig. Damals war alles noch in Ordnung gewesen, sie hatte nicht mit Vater gestritten, im Gegenteil, sie hatte ihn bewundert. »Später, als ich acht, neun Jahre alt war, habe ich oft den Chauffeur überredet, mit mir die Straße rauf und runter zu fahren.«
    »Das hat er gemacht?«
    »Ja, nur durch das Brandenburger Tor wollte er mich nicht fahren, da konnte ich noch so sehr betteln. Das darf nur der Kaiser, sagte er immer. Für mich waren diese Regeln gerade dazu da, gebrochen zu werden.« Sie sah ihn an. Woher rührte die Trauer in seinen Augen? Eine Frau musste ihn verletzt haben, und sein Herz hatte sich nicht davon erholt. »Wissen Sie, wie die Berliner den vierspännigen Wagen nennen? Den der Siegesgöttin auf dem Brandenburger Tor?«
    »Nein.«
    »Retourkutsche.«
    Er verzog die Mundwinkel. »Warum das?«
    »Weil Napoleon ihn nach der Schlacht von Auerstedt nach Paris verschleppt hat, doch dann haben wir Napoleon geschlagen, und die Quadriga kam wieder nach Berlin.«
    Ein fliegender Händler bahnte sich den Weg zu ihrem Tisch. »Een Jeschenk für die Dame?«, fragte er. Er zeigte glänzende Fläschchen. »Ick hab dit beste Parfüm, jibt et nirjendwo, Sonnenwende, Veilchen, Heujeruch.«
    »Verschwinden Sie«, sagte der Engländer. Es war die gleiche Stimmlage, in der er vorhin den Champagner bestellt hatte, aber sein kalter Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er bereit war, den Händler aus dem Café zu prügeln.
    »Nischt für unjut«, murmelte der Händler und zog sich zurück.
    Ihr wurde der Mann, der ihr gegenübersaß, leicht unheimlich. »Ich erzähle Ihnen so viel«, sagte Cäcilie, »und weiß überhaupt nichts von Ihnen.«
    »Lyman Tundale.« Das Gesicht des Engländers nahm wieder einen weicheren Ausdruck an.
    Dass er reich war, ließ er sie spüren, aber warum gab er nicht mit einem hohen Amt und guter Herkunft an? Überhaupt redete er wenig.
    »Wie haben Sie es geschafft«, fragte sie, »mir so oft Blumen zuzustecken, ohne dass ich es merkte?«
    Er schwieg.
    Etwas Abweisendes umgab ihn und zugleich ein stummes Flehen um Hilfe. Die Mischung faszinierte sie wie ein unbekannter Geruch. Sie sagte: »Ein bisschen mehr müssen Sie mir schon verraten. Was machen Sie? Sie können sich also gut anschleichen und jemandem in die Tasche greifen. Sie sind doch kein Dieb, oder?«
    »Nein. Ich bin Journalist.«
    Sie wurde nicht schlau aus diesem Lyman Tundale. Plötzlich kam ihr ein Verdacht. Was, wenn Vater ihn engagiert hatte? Es würde ihm ähnlich sehen. Vielleicht wollte er ihr sagen: Du bist keinen Deut besser als ich. Sei vorsichtig!, ermahnte sie sich. »Wie lange sind Sie schon in Berlin?«
    »Ein paar Jahre. Es ist hübsch hier, nicht wahr?« Er sah sich

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