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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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und der eine schlemmt, während der andere nichts als die Kleider auf dem Leib hat.«
    »Das sage ich doch gar nicht.«
    »O doch, du sagst es und du meinst es. Deine Frau dürfen sie auch nicht einladen, sie soll hübsch zufrieden sein mit dem, was sie hat. Insgeheim denkst du, dass man ein Halsabschneider sein muss, um überhaupt zu so viel Geld zu kommen. Nicht wahr, das denkst du doch? Jeder, der im Speisesaal der ersten Klasse sitzt, hat Leute ausgebeutet oder ist durch Betrügereien reich geworden.«
    »Du drehst mir das Wort im Mund herum. Ich habe nie so etwas gesagt.«
    »Du denkst es. Und deshalb kannst du’s nicht haben, wenn ich bei denen aus der ersten Klasse esse.«
    »Iss dort, von mir aus jeden Tag! Aber ich glaube nicht, dass du dort bist, weil dir das Essen besser schmeckt. Du suchst etwas anderes. Mach nicht dieses Gesicht, Cäcilie! Wir wissen beide, was das ist.« Habe ich sie schon verloren, dachte er, ist sie schon entschlossen, mich zu verlassen?

15
    Zum Frühstück gab es Tomatenomelett, geräucherten Hering, Kuchen – Samuel aber aß nur ein halbes Marmeladenbrot. Er war noch blasser als sonst. »Hast du keinen Appetit?«, fragte Matheus.
    Der Kleine schüttelte den Kopf. Waren seine Augen nicht mit einem dünnen Tränenfilm überzogen? Bestimmt hatte er sie gestern streiten gehört.
    Manchmal erschien es ihm, als sei Samuel nur deshalb so schmächtig, weil die Ehe seiner Eltern nicht glücklich war. Immerhin war er das Produkt dieser nicht sehr starken Liebe. Eine tiefere Liebe hätte einen kräftigeren Jungen hervorgebracht.
    Cäcilie sah ebenfalls müde aus. Aber sie schien kein schlechtes Gewissen zu haben und hielt seinen Blicken stand. War seine Eifersucht tatsächlich überspannt und ungerecht? Er musste es herausfinden. Nach dem Frühstück ließ er die beiden allein und begab sich an Deck auf die Lauer. Er wartete auf den Mann, der ihr im Speisesaal die Hand auf den Arm gelegt hatte. Matheus trug Mantel und Hut, es wehte ein kühler Wind. Er tat so, als sei er an Details des Schiffs interessiert, spazierte auf und ab und begutachtete die Ladekräne.
    Als er schon aufgeben wollte, weil ihm die Kälte in die Kleider kroch, sah er ihn. Der hochgewachsene Mann mit den dünnen Lippen redete freundlich mit einigen Damen. Er wirkte entspannt wie ein Urlauber, der sich über Geld keine Gedanken machen musste. Die Damen lachten, ganz offensichtlich gefiel ihnen, was er gesagt hatte. Matheus fühlte einen Stich in seinem Inneren, den er nur allzu gut kannte: Er beneidete den Mann um seine ungezwungene, selbstbewusste Art, mit den Frauen zu reden. Sicher hatte er Cäcilie mit diesem Talent in seinen Bann gezogen.
    Eine der Frauen kannte er, die Kleine mit den rötlichen Haaren, Nele. Waren die anderen auch Deutsche? Hatte er es auf Deutsche abgesehen? Der Mann begleitete die Damen zu den Liegestühlen, sie ließen sich von Stewards Decken und Tassen mit dampfender Schokolade bringen, setzten sich, plauderten. Währenddessen zog sich der Fremde hinter die Ecke beim Eingang zum Sportraum zurück, aus dem ein anderer Mann trat, und als sie sich begegneten, war der Hochgewachsene plötzlich wie verwandelt. Er stand anders da, gestikulierte streng, alles an ihm war kühle Geschäftsmäßigkeit. Er gab Anweisungen, und sein Gesicht war dabei aus Eis.
    Der andere zückte einen Fotoapparat. Er schlich sich an die Damen heran und fotografierte sie in ihren Liegestühlen, was zu einigem Aufruhr führte. Als Matheus sich wieder nach Cäcilies Bekanntschaft umsah, war der eigenartige Kerl fort. Etwas stimmte nicht mit diesem Mann.
    Matheus öffnete das halb hohe Gatter, das zur Promenade der ersten Klasse führte. Er wollte an den Frauen vorbeispazieren, wollte lauschen, ob sie tatsächlich Deutsch sprachen. Noch bevor er das Gatter passiert hatte, blieb er stehen.
    Nele war aufgestanden und kam ihm entgegen. Ihr rundes Gesicht, die Schwingung der Kieferlinie faszinierte ihn. Wie feenhaft sie die Füße setzte beim Gehen!
    Sie warf Blicke aus grünen Augen um sich und griff nach einer goldenen Uhr, die gerade auf dem Schoß eines schlafenden Herrn gelegen hatte: Schon war sie in ihrer Manteltasche verschwunden. Nele bewegte sich genauso leichtfüßig weiter wie zuvor.
    Sie ist eine Diebin, dachte er. Der Mann wird seine Uhr vermissen. Ich bin mitschuldig, weil ich den Diebstahl beobachtet habe. Er stellte sich ihr in den Weg. »Entschuldigen Sie«, sagte er. »ich –«
    »Sie schon wieder«,

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