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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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rieb sich mit den Dachsborsten über die Zähne. Der Holzgriff der Bürste lag unangenehm hart in seiner Hand. Außerdem hasste er den salzigen Geschmack des Zahnpulvers.
    Vater sagte leise: »Cäcilie, ich habe heute diesen Mann beobachtet, du weißt schon, von gestern Abend. Er ist mir nicht geheuer. Erst hat er mit drei deutschen Frauen gescherzt und war entspannt und fröhlich, dann hat er einem Fotografen mit eiskalter Miene befohlen, sie zu fotografieren.«
    Dachten sie, er konnte das nicht hören, wenn er sich die Zähne putzte? Samuel spitzte die Ohren.
    »Was du nicht sagst.« Mutter seufzte. »Deine Eifersucht macht dich kreativ, Matheus.«
    »Etwas stimmt nicht mit ihm!«
    »Er ist Journalist. Vielleicht lässt er deshalb Fotos machen. Du suchst doch nur einen Grund, mir auszureden, ihn wiederzusehen.«
    »Dafür brauche ich keinen Grund. Du bist meine Frau!«
    »Wir unterhalten uns nur. Willst du mich einsperren? Ich habe lange genug das Haus gehütet. Ich muss doch Freunde haben dürfen, das wirst du mir nicht verbieten.«
    »Ich habe nichts gegen Freundschaften, Cäcilie. Aber dieser Mann ist an mehr als nur an deiner Freundschaft interessiert. Ich möchte nicht, dass du ihn triffst.«
    »Das wird sich auf dem Schiff nicht vermeiden lassen«, sagte sie.
    »Machst du dich lustig über mich?«
    So wütend hatte er seinen Vater noch nie erlebt. Eigentlich brauchte Vater Harmonie, er tat fast immer, was die Mutter sich von ihm wünschte. Diesmal schien sie eine Grenze überschritten zu haben. Der Streit der beiden machte ihm Angst. Aber er war zugleich froh, den Vater so entschlossen zu sehen und zu erleben, wie er für seine Ehe kämpfte.
    Samuel spuckte aus.
    Er hörte ein Klopfen. Mutter öffnete die Tür. Mehrere Stewards drangen in die Kabine ein. Sie redeten auf Englisch mit den Eltern. Mutter entrüstete sich und schimpfte, aber sie hörten ihr nicht zu.
    Die Stewards durchsuchten die Kabine. Sie hoben die Matratzen an, öffneten die Schubladen, die Schranktüren, die Koffer, sie tasteten sogar das Innere der Kopfkissen ab. Samuel schluckte. Er wusste, weshalb sie hier waren. Sie suchten die Manschettenknöpfe, die Ringe, den Zigarrencutter.
    Wer könnte ihn verraten haben? Der Kaugummimann? Adam hatte denen sicher nichts gesagt, sie hielten zusammen, auf ihn konnte er sich verlassen.
    Einer der Stewards holte die Papierblume unter dem Bett hervor. »You dropped that.« Er legte sie aufs Bett.
    Vater fragte: »Was ist das?« Er sah Mutter böse an.
    »Die gehört mir nicht«, verteidigte sie sich.
    »Es hat niemand vor uns hier gewohnt, wie soll sie in die Kabine gekommen sein?«
    Samuel sagte: »Es ist meine.«
    »Du musst deine Mutter nicht in Schutz nehmen«, sagte Vater.
    »Es ist wirklich meine.«
    Mutter fragte: »Wo hast du sie her?«
    »Von einem Freund. Guck sie dir genau an. Er hat sie aus der Kekspackung gebastelt.«
    Sie begutachtete die Blume. »Die ist wunderschön. Dein Freund ist ein großer Künstler.«
    »Ich würde ihn gern einmal kennenlernen«, sagte Vater. »Schön, dass du einen Freund gefunden hast. Davon hast du uns gar nichts erzählt.«
    Samuel nickte und sah den suchenden Stewards zu. Hier findet ihr nichts, dachte er. Ich bin zu schlau für euch.
    In der Nacht wurde Matheus von Cäcilie geweckt. Sie schob sich zu ihm ins Bett, er fühlte ihre Hand, die seinen Körper umfasste, es hatte etwas Hilfesuchendes an sich.
    Als er ihr tränennasses Gesicht auf seiner Brust spürte, fuhr er hoch. »Was ist los? Du weinst ja!«
    Sie flüsterte: »Ich liebe dich, Matheus.«
    »Warum weinst du?«
    Sie schwieg.
    Hatte sie ein schlechtes Gewissen wegen des Journalisten? Oder bereute sie die Streitereien der letzten Tage? Ihre Tränen beruhigten ihn nicht, sie schürten eher seine Sorgen.
    »Ich mache doch genauso Fehler«, sagte er leise. »Ich weiß, ich kann ziemlich selbstgerecht sein. Und ich …« Er rang mit sich. »Ich war dir in meinen Gedanken nicht immer treu.« Er spürte Cäcilies Kopf auf seinen Rippen. Der Tote war schon in ihm, der Tote, der er einmal sein würde: Knochen, Knorpel und Schädel, ein Skelett, wie es in Hunderttausenden Särgen lag.
    Was dachte er da? Noch lebe ich, sagte er sich, und ich liebe diese Frau. Ich werde um sie kämpfen. »Weißt du noch«, sagte er, »wie wir einmal diesen Straßengeiger zu uns nach Hause eingeladen haben?« Er musste schmunzeln bei der Erinnerung.
    »Ja«, hauchte sie. »Er hat uns die gesamten Vorräte weggegessen.«
    »Aber

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