Taran Bd 5 - Der Fürst Des Todes
Überraschung machte Taran für den Moment sprachlos. Dann stammelte er: »Du hast mir das Leben gerettet, Sohn des Collfrewr.«
»Ich glaube fast, das stimmt«, erwiderte Coll, als sei ihm dieser Gedanke erst jetzt gekommen.
Sie sahen einander an und brachen in lautes Lachen aus.
Die Sonne begann bereits unterzugehen, und der Himmel selbst schien blutverschmiert, als Taran wieder Übersicht über die Schlacht gewann. Gwydions Krieger, die sich dem Angriff Pryderis entgegenstellten, hatten den ersten Anprall aufgehalten. Die feindlichen Reihen wankten, als wären sie über ihre eigenen Toten gestolpert: Die Woge türmte sich empor und erstarrte. Nun aber wehte ein frischer Wind durch das Tal. Tarans Herz klopfte vor Freude, als er den Kriegsruf der Gefolgsleute Gwydions hörte. Sie drängten voran. Taran stieß in sein Horn und galoppierte mit den Reitern der Commots, um die zurückweichende Flut zu verfolgen.
Plötzlich teilten sich die Reihen der Feinde wie eine geborstene Mauer. Taran umkrampfte die Zügel. Melynlas wieherte wild auf und stieg steil in die Höhe. Entsetzen zog durch das Tal. Taran begriff, lange bevor die anschwellenden Angstschreie an sein Ohr drangen.
»Die Kesselkrieger! Die lebenden Toten!«
Die Männer Pryderis hielten sich zurück, um sie passieren zu lassen, und es schien, als ehrten sie sie dadurch auf eine beklemmende Weise. Die Kesselkrieger füllten die Lücken, ohne zu eilen, ohne zu zögern, mit entsetzlicher Lautlosigkeit. Nur das Dröhnen ihrer schweren Stiefel hallte durch das Tal. In dem blutigen Dunst der sterbenden Sonne glichen ihre Gesichter denen Lebender. Doch ihre Augen blickten kalt und glanzlos und tot wie Steine. Stetig und unaufhaltsam bewegte sich die Masse der schrecklichen Mordsknechte Arawns auf Caer Dathyl zu. Mit sich führten sie einen eisenverkleideten Rammbock, der mit Stricken umwickelt war.
Die Krieger Pryderis, die zu beiden Seiten der Kesselkrieger standen, griffen nun aufs Neue an. Voller Entsetzen erkannte Taran, warum Pryderi die Schlacht hinausgezögert hatte, und er begriff dessen bedingungslosen Ehrgeiz: Erst jetzt war der Plan des Verräters in Erfüllung gegangen. Hinter den Kesselkriegern strömten ausgeruhte Männer Pryderis von den Hügeln herab ins Tal. Die Schlacht, die einen Tag gewährt hatte, war für den König nur Spott und Ablenkung gewesen. Jetzt begann das Gemetzel.
Die Bogenschützen und Speerträger in der Burg drängten sich auf den Mauern. Doch die stummen Krieger zögerten keinen Augenblick in dem dichten Pfeilregen, und obwohl jeder Schaft sein Ziel erreichte, bewegten sie sich unaufhörlich vorwärts. Sie hielten lediglich inne, um die Pfeile aus ihrem blutlosen Fleisch zu ziehen. Ihre unbeweglichen Züge zeigten weder Schmerz noch Wut, keine menschliche Regung, keinen Triumph. Von Annuvin waren sie heranmarschiert wie aus dem Grab. Ihre Aufgabe war allein, Tod zu bringen – mitleidlos, unerbittlich und teilnahmslos wie ihre eigenen, leblosen Gesichter.
Unter den Schlägen des Rammbocks ächzten und zitterten die Tore Caer Dathyls. Die riesigen Scharniere lockerten sich, und der Klang der Stöße hallte durch die Burg. Das Tor splitterte; die erste Bresche klaffte wie eine Wunde. Wieder und wieder sammelten die Kesselkrieger Kraft, um den Bock gegen das Holz zu jagen. Dann gaben die Tore nach und fielen in den Hof. Die Söhne von Don aber waren eingekeilt zwischen den Reihen der Krieger Pryderis und versuchten vergeblich die Burg zu erreichen. Taran schluchzte vor Verzweiflung und Wut, als er hilflos zusehen musste, wie die Kesselkrieger durch die geborstenen Tore drangen.
Vor ihnen stand Math, der Hochkönig. Er trug den Mantel des königlichen Hauses mit dem Gürtel aus Goldgliedern. Über seiner Stirn glänzte die goldene Krone der Don, um die Schultern hing ein Umhang aus feiner weißer Wolle, gefaltet wie ein Leichentuch. Seine ausgestreckte Hand umklammerte ein blankes Schwert.
Die Kesselkrieger zögerten, als regte sich eine ferne Erinnerung in ihnen, doch der Augenblick ging vorüber, und sie marschierten weiter. Auf dem Schlachtfeld war es totenstill; ein entsetztes Schweigen hatte sogar Pryderis Leute ergriffen. Der Hochkönig wandte sich nicht ab, als die Kesselkrieger näher kamen. Er sah ihnen in die Augen und hob herausfordernd das Schwert. Entschlossen stand er da, voller Stolz und im Bewusstsein seiner Königsmacht. Der erste der bleichen Krieger war vor ihm. Der Hochkönig packte das blitzende Schwert
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