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Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Titel: Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies , Bernd
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hierher?«
    Der Anflug eines traurigen Lächelns huschte über die Züge des Gerüsteten, dann wandte er sich erneut ab und ging mit langsamen, lautlosen Schritten durch das Gras und an den Grabsteinen vorbei in den hinteren Bereich des Friedhofs.
    Tarean lief neben der Gestalt her, Verwirrung im Geiste und Beklommenheit in seinem Herzen. Er spürte den eisigen Hauch, der den Fremden – seinen Vater – umwehte. Und er sah in dem unirdischen Leuchten, das von der Erscheinung ausging und das den im Dunkel der hereingebrochenen Nacht liegenden Friedhof in geisterhaftes Licht tauchte, dass das Gras unter den Stiefeln des Mannes, wo immer dessen Sohlen den Boden berührten, glitzernden Raureif ansetzte.
    Tarean wusste jetzt, wohin sie ihr Weg führen würde. Er war ihn oft gegangen, an schönen Sommerabenden, melancholischen Herbstnachmittagen und durch den Schnee des bitterkalten Winters stapfend. Ahn Urias sah es nicht gerne, wenn er sich zum Friedhof davonstahl, meist, um mit sich und seinen Gedanken ein wenig allein zu sein. Und auch ein Großteil der Dorfbevölkerung machte einen sichtbaren Bogen um den Grabstein, der abgeschieden in der hintersten Ecke des Totenackers unter einer hohen Graufichte stand. Den Grabstein, der auf Betreiben Ritter Wilferts nach seiner Ankunft in Bergen dort aufgestellt worden war, zum Andenken an einen »großen Krieger«, dessen sterbliche Überreste, zu Staub und Asche zerfallen, in den Ritzen und Felsspalten am Boden des Drakenskal fern der Heimat verweht waren.
    Zielstrebig schritt die geisterhafte Erscheinung zwischen den Reihen niedriger Steintafeln hindurch, überquerte dann den schmalen, freien Wiesenstreifen, der die übrigen Gräber von der letzten Ruhestätte Anreons von Agialon trennte, und schließlich blieb sie im Schatten der Graufichte stehen.
    Je näher er dem Grab kam, desto langsamer wurde Tarean. Er spürte, wie seine Hände, nein, sein ganzer Körper von einem Zittern erfasst wurde, einem Schüttelfrost der Anspannung, der Erschöpfung und des Entsetzens, als er sah, was sie – wer immer es auch gewesen sein mochte – seinem Vater angetan hatten.
    Die Erde rund um den kleinen und angesichts der Bedeutung des Toten geradezu unscheinbaren Gedenkstein war aufgewühlt, als habe jemand versucht, die Gebeine des Ritters, die dort gar nicht lagen, auszugraben. Den Stein selbst, einen Obelisken mit einer rechteckigen Basis, auf den der Name und die Lebensdaten des Ritters eingraviert waren, hatten die Grabschänder umgeworfen und offensichtlich mit einem schweren Hammer bearbeitet, denn er lag in mehrere Einzelteile zerschlagen auf dem zertretenen Gras. Auf das größte Bruchstück aber hatte jemand mit brauner Farbe ein Wort geschmiert.
    Tarean trat näher, sank neben dem Grab auf die Knie und fuhr mit der Hand behutsam über die granitene Oberfläche. Er schluckte. Das war keine Farbe, das war Blut … Und das Wort, das dort geschrieben stand, war: Fluchbringer .
    Erschüttert blickte Tarean auf. Er sah, wie die Gestalt, die schweigend neben ihm ausgeharrt hatte, die Hände hob und die Kapuze des weißen Mantels wieder über den Kopf zog. Eine einzelne Träne lief über das schöne, strenge Gesicht seines Vaters, während dieser ihn unverwandt anschaute und dabei langsam durchscheinend wurde, bis er schließlich in einem verglimmenden Nachleuchten verschwand.
    Tarean vermochte später nicht mehr genau zu sagen, wie lange er dort alleine im Dunkeln gesessen hatte. Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass die Alarmglocken in Ortensruh irgendwann verhallten und das vielstimmige Geschrei und Waffengeklirr einer Totenstille wich, die nur noch von vereinzelten Rufen durchbrochen wurde. Auch das flackernde gelbe Licht aus dem Dorfzentrum wurde irgendwann schwächer. Eine große Gruppe Reiter preschte in scharfem Galopp von Cayvallon her über die hölzerne Brücke des Eilwassers und ritt in den Ort hinein. Noch ein- oder zweimal zerriss das langgezogene Heulen eines Wolfs die Ruhe über dem Tal, ein paar Mal klang es noch nach kurzem Tumult, während die Dorfbewohner und Soldaten der gefährlichen Aufgabe nachgingen, den letzten im Schatten lauernden Grawls den Garaus zu machen. Doch all das war in diesem Moment für ihn bedeutungslos.
    Fluchbringer, Fluchbringer, Fluchbringer , hallte es durch die leeren, dunklen Gewölbe seiner Gedanken.
    »Wieso reitet der Junge mit uns? Er wird uns allen Unglück bringen …«
    »Also? Du hast mir doch sicherlich etwas zu erzählen.« –

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