Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
kann.«
»Und worüber habt ihr gesprochen?«
»Was ich dir jetzt sage, darf nie jemand erfahren. Nicht, bevor die Zeit der Wölfe vorbei ist und ein neuer Morgen angebrochen ist.« In Aurils Augen lag ein ungewöhnlicher Ernst.
Beklommen nickte der Junge. »Ich verstehe.«
Die Albin holte tief Luft. »Du musst wissen, Tarean, dass mein Vater Beornhard sehr ähnlich ist. Vom ersten Tag an hat er gegen Calvas und seine Bestien Widerstand geleistet. Mehr noch: Seit Jahren schon, so glaube ich, plant er gemeinsam mit dem König und einigen getreuen Verbündeten den Gegenschlag, den Zusammenschluss der noch freien Völker und den Aufstand der versklavten, um den Hexenmeister und die Wölfe dorthin zurückzutreiben, woher sie gekommen sind – und darüber hinaus. Und genau wie im Falle von Beornhard dachte ich lange Zeit anders als mein Vater, hielt seine Ziele für unerreichbar und mit zu viel Blut und Leid erkauft. Es kam deswegen sogar zwischenzeitlich zum Zerwürfnis zwischen uns, und ich zog aus Albernia hinaus in die Welt.« Sie blickte für einen Moment versonnen in die tanzenden Flammen. »Aber schließlich erklärte ich mich doch bereit, zumindest das Auge und Ohr der Alben zu sein, auf meinen Reisen aufmerksam die Geschehnisse zu beobachten, auf die Zeichen zu achten, die auf einen Wandel hindeuten mögen, und all dies Cayvallon zu berichten.« Erneut verstummte sie und fuhr dann leiser fort. »Und von Cayvallon bekam ich heute Kunde, dass vor einigen Tagen ein menschlicher Junge aus Bergen ausgezogen sei, der Sohn des Fluchbringers, wie ihn die Menschen nennen, um nach At Arthanoc zu gehen und Calvas den Hexenmeister herauszufordern, ihn zu bestrafen für das, was er seinem Vater einst angetan hat. Mein Vater sagte mir, er sei nach Agialon unterwegs gewesen, um dort Beornhard zu treffen und unter seiner Führung weiter gen Osten zu reisen.« Auril sah ihn eindringlich an. »Dieser Junge … dieser Junge bist du, nicht wahr?«
Tarean schluckte. Er verspürte einen Kloß im Hals, und daher nickte er nur stumm.
Beinahe als habe er auf diesen Moment gewartet, brach Dankwart sein Flötenspiel auf einmal mit einem misstönenden Pfeifen ab und rief. »He. Seht mal, was dort von der anderen Uferseite auf uns zukommt!«
Einen Herzschlag später war Auril bereits auf den Beinen. »Wolflinge?«
»Nein«, rief der Schiffer, »etwas anderes. Ein Licht, das sich unglaublich schnell nähert.«
Neugierig traten Tarean und die Albin aus dem Sichtschatten des Schiffes, um nachzuschauen, worauf ihr Kapitän mit ausgestrecktem Arm zeigte. Doch als der Junge die winzige strahlende Lichtkugel erblickte, die Kapriolen schlagend wie ein junger Vogel und doch mit erstaunlicher Geschwindigkeit über die Uferwiesen auf den Fluss zusauste und dann, begleitet von einem huschenden, schemenhaften Spiegelbild, über das dunkle Wasser des Stroms hinwegflog, da trat ein Ausdruck grenzenlosen Erstaunens auf seine Züge, dicht gefolgt von einer Welle überwältigender Freude. »Moosbeere!«, rief er überrascht und begeistert.
Und schon war das elfenhafte Irrlicht bei ihm, um ihn stürmisch, wenngleich auf eine Art und Weise, die er nicht erwartet hatte, zu begrüßen. »Du blöder Kerl! Du blöder, blöder Kerl! Wie konntest du mich nur zurücklassen und einfach alleine weiterreisen?«, zwitscherte sie mit ihrem hellen Stimmchen, und ihr kleiner Körper glühte regelrecht vor Aufregung. Sie umschwirrte ihn wie eine zornige Hummel und verpasste ihm mit ihren winzigen Händen und Füßen herzhafte Schläge und Tritte auf die Nase und gegen die Ohren.
»Ich … was … wieso … aua!«, beschwerte sich der Junge verwirrt, als sie ihm geschwind einige Haare ausriss.
»Blöder Kerl!«, ereiferte sie sich.
»Nun warte doch mal.«
»Kennst du das Glühwürmchen?«, erkundigte sich Bromm vom Feuer aus gemütlich. Dankwart beobachtete das Ganze sichtlich fassungslos von Bord seines Schiffes aus.
»Ich … ja … wir sind uns schon mal begegnet.«
»Schon mal begegnet?!« Wütend riss ihm Moosbeere ein paar weitere Kopfhaare aus.
»Aua!«
Langsam stemmte sich Bromm in die Höhe. »Moment mal.« Er kam herangetapst, nahm Maß und dann schlug er blitzschnell mit seinen beiden Pranken zu, sodass Tarean vor Schreck zusammenzuckte und aufkeuchte. »Moosbeere!«
»Keine Sorge, der geht es gut«, erwiderte der Bär zufrieden und schüttelte sanft seine beiden Pranken, die er so zusammengelegt hatte, dass sie einen Hohlraum bildeten. Dünne,
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