Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
Wiedersehen mit dem lebhaften Irrlicht freute, tief in seinem Inneren verspürte er eine schwer zu fassende Unruhe über die Art ihres Auftauchens. Wie hatte sie es schnippisch ausgedrückt: Wer sagt, dass ich dich gefunden habe? Was hatte sie damit gemeint? War sie vielleicht nicht ihm gefolgt? Aber wem sonst? Auril und Bromm konnten es schwerlich sein. Oder hinterließ er womöglich irgendwelche Spuren, von denen er nichts wusste?
Das Geräusch der leisen Schritte leichter Stiefel ließ ihn aufhorchen. Er hob den Kopf und gewahrte Auril, die sich neben ihn hockte, wie er nur nachlässig in Hemd und Beinkleider gewandet.
»Habe ich dich geweckt?«, fragte Tarean ein wenig schuldbewusst.
Die Albin schüttelte den Kopf. »Ich konnte auch nicht schlafen.«
Einige Atemzüge lang saßen sie schweigend nebeneinander und blickten in die Nacht hinaus. Der Junge überlegte, ob er seine Bedenken hinsichtlich Moosbeeres Spürsinn mit ihr besprechen sollte, doch eine andere Frage drängte sich in den Vordergrund.
»Auril?«
»Mhm.«
»Die Dinge, die du am Lagerfeuer gesagt hast … da war noch mehr, nicht wahr?«
Eine Weile bekam er keine Antwort. »Ja«, gestand sie dann.
»Was war es?«, wollte er wissen.
Die junge Frau seufzte. »Nachdem mir mein Vater von dem Jungen erzählt hatte, bat er mich um etwas, das ich noch vor einem Jahr nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. Und auch jetzt fällt es mir schwer, nein, fiel es mir schwer, seinem Wunsch zu entsprechen.« Wieder schwieg sie einen Moment. »Er bat mich … nach dem Jungen zu suchen und ihn zu beschützen, jetzt, da Beornhard … ihm nicht mehr helfen kann. Ich kenne Thal und Astria besser als die meisten dieser Tage, und mein Vater glaubt, es wäre mir gegeben, den Jungen sicher nach At Arthanoc zu bringen.«
Tarean richtete sich auf und sah die Albin erstaunt an. Sie wandte ihm das Gesicht zu und nickte. »Ja, Tarean, ich werde dich nach At Arthanoc begleiten. Ob du es willst oder nicht. Ich habe es meinem Vater versprochen.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
Die Andeutung eines schiefen Grinsens zeichnete sich um ihren Mund ab. »Sag gar nichts. Akzeptiere es einfach.«
»Na, das wird ein Spaß«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie drehten sich um und sahen Bromm auf zwei Beinen herantapsen und sich grinsend die Vorderpfoten reiben.
»Das wird wahrscheinlich eine Reise ohne Wiederkehr, mein Freund«, warnte die Albin den Bären. »Und bezahlt wird sie auch nicht. An deiner Stelle würde ich mit Dankwart nach Bristaja fahren, statt in Anfurt auszusteigen.«
»Und wer passt dann auf dich auf?«, gab sich der pelzige Hüne entrüstet. »Ohne mich findest du doch in der Wildnis von Astria weder Weg noch Steg.«
»Wie wunderbar«, flötete Moosbeere, die hinter dem Rücken des Bären hervorschoss und sie umkreiste, wie eine nervöse Biene den Honigkuchen. »Dann passen wir also alle aufeinander auf. Tarean auf mich«, sie warf dem Jungen einen schmachtenden Blick zu, »Auril auf Tarean, Bromm auf Auril und ich«, sie huschte zu dem Bären, setzte sich, die Beine anmutig übereinandergeschlagen, wie eine Fliege auf seine breite Nase und strahlte ihn an, »auf dich.«
»Dreigötter, steht mir bei«, rief Tarean mit Inbrunst – aber ein Lächeln umspielte seine Lippen bei diesen Worten.
8
DURCH FEINDESLAND
Am späten Nachmittag des nächsten Tages, wenige Meilen vor Anfurt, gingen Tarean, Auril, Bromm und Moosbeere von Bord. Der Himmel hatte sich zugezogen, und es wehte ein kühler Wind von Norden her, der nach Regen roch. Die Albin verabschiedete sich überraschend herzlich von dem Schiffer. »Wir sehen uns bald wieder, mein Freund«, versprach sie ihm, bevor sie als Letzte an Land ging.
»Mögen die Dreigötter euch beschützen«, erwiderte Dankwart, entbot auch den anderen mit ernster Miene seinen Gruß, und es war nicht das erste Mal, dass Tarean das Gefühl hatte, dass der mürrische Kapitän weitaus mehr Anteil am Schicksal derer um ihn herum nahm, als sein schweigsames, abweisendes Wesen glauben machen sollte.
Dann trennten sich ihre Wege, und während der Schiffer seinen Weg gen Süden Richtung Bristaja fortsetzte, wandten die vier Gefährten dem Riva den Rücken zu und wanderten querfeldein nach Nordosten, auf das in der Ferne aufragende Gebirgsmassiv der Zwölf Zinnen zu. Bromm hatte, der unmittelbaren Nähe Anfurts und seiner umliegenden Dörfer wegen, sein menschliches Erscheinungsbild angenommen. Und Moosbeere schlief
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