Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
scharfe Lichtstrahlen drangen durch die zottigen Finger, und eine kleine, helle Stimme war zu hören, zwar bis zur Unverständlichkeit gedämpft, aber nichtsdestoweniger ununterbrochen schimpfend. »Mal sehen.« Bromm öffnete seine Pranken ein wenig und schielte ins Innere. Eine helle, kleine Faust schnellte ihm entgegen, und der Bär zuckte ein wenig zurück. »Hm. Frech, die Kleine.« Dann verzog er langsam die schwarze Schnauze zu einer Grimasse. »Und ziemlich heiß.« Er knurrte und öffnete die Pranken. Sofort schoss das Irrlicht in die Höhe, um dann allerdings in sicherem Abstand erschöpft in der Luft hängen zu bleiben. Ihre Aura pulsierte schwach. »Blöder Bär«, schnaufte sie und warf dann Tarean noch einen verärgerten Blick zu. »Und blöder Kerl.«
»Moosbeere.« Tarean streckte die Hand aus. »Komm her.« Als sie ihm mit einem indignierten »Pfft« die kalte Schulter zeigte, setzte er hinzu: »Bitte.«
Das Irrlicht schielte ihn über die Schulter hinweg an, und der Junge nickte ihr zu und bedeutete ihr mit Blicken, auf seiner Handfläche Platz zu nehmen. »Bitte.« Schließlich summte sie federleicht näher und ließ sich anmutig auf seiner Hand nieder. »Ich höre?«
»Ich wollte dich nicht zurücklassen, das musst du mir glauben. Aber ich dachte, der Alte Wald ist deine Heimat, die du so lange hast missen müssen. Woher sollte ich wissen, dass du die Absicht hattest, mit mir zu kommen? Du schliefst, und ohne dein Einverständnis wollte ich dich nicht einfach so in die dunkle Welt hier draußen mitnehmen. Also bin ich, schweren Herzens, das glaube mir, alleine weitergezogen. Kannst du mir diesen Fehler verzeihen?«
Moosbeere legte den kleinen Kopf schief, sah ihn aus meerblauen Augen abschätzend an – und dann schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. »Tarean Keinriese, du bist zwar ein dummer Bauernjunge, aber ich sehe es dir nach.« Und dann schwang sie sich in die Luft, gab ihm einen raschen Kuss auf den Nasenrücken und schwirrte kichernd von dannen.
Der Junge spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. »Wie hast du mich eigentlich gefunden?«, rief er ihr nach, um seine Verlegenheit zu überspielen.
»Wer sagt, dass ich dich gefunden habe?«, war die einzige Antwort, die er bekam.
Auril schnitt sich mit ihrem Messer ein Stück Apfel ab, verpasste Bromm einen Ellbogenstoß zwischen die Rippen und bemerkte kauend zu ihrem Gefährten. »Das habe ich ja auch noch nicht erlebt. Das Irrlicht ist verschossen in unseren Wunderknaben. Und wenn mich meine Augen nicht täuschen, ist sie ihm auch nicht ganz gleichgültig.«
»Sie ist ja auch putzig«, entgegnete Bromm.
»Na ja«, meinte die Albin skeptisch, »ein bisschen wenig dran an dem kleinen Ding für einen so großen Jungen wie ihn.«
»Bist du etwa eifersüchtig?«
»Ich?« Auril versetzte dem pelzigen Hünen neben ihr einen weiteren Stoß. »Du hast wohl nicht nur Flöhe im Pelz, sondern auch Flöhe im Kopf!«
Der Bär ließ ein dunkles Lachen hören.
Später am Abend lag Tarean mit offenen Augen auf seiner Pritsche und starrte an die gemaserte Holzdecke ihrer Kabine. Tausend Gedanken wirbelten ihm im Kopf umher und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Moosbeere hatte sich auf einen aus der Wand hervorstehenden Balken zurückgezogen, die zerbrechlichen Flügel um den zarten Leib geschlungen und glühte sanft wie eine abgedunkelte Laterne, während sie gleichzeitig leise im Schlaf summte. Am anderen Ende der Kabine vernahm er das gleichmäßige Atmen der Albin. Zu ihren Füßen lag der Bär auf dem Fußboden und grunzte und schmatzte, derweil er offenbar von kecken Bergziegen träumte. Dankwart hatte seine eigene Kajüte.
Lautlos erhob sich Tarean von seinem Lager, schlüpfte in seine Stiefel und stieg hinauf an Deck. Eine leichte, kühle Brise war aufgekommen. Über ihm spannte sich gewaltig und unermesslich weit der sternenklare Nachthimmel, und der zunehmende Mond beschien mit bleichem Licht den Fluss und die dunklen Uferwiesen, auf denen laut die Grillen zirpten und das Geraschel kleinen Getiers zu hören war. Die Taue, mit denen das Schiff an zwei niedrigen Bäumen befestigt war, knarrten leise, und die flachen Wellen des Riva schlugen plätschernd gegen den Rumpf des Lastkahns.
Der Junge ging an den Metfässern vorbei zum Bug des Schiffes, setzte sich und ließ den Blick über die nächtliche Landschaft gleiten, während er seine Gedanken zu ordnen versuchte.
Moosbeere war wieder da. Doch so sehr er sich über das
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